Hohe Erwartungen
5. November 2008Im ganzen Land feierten Obamas Anhänger am Mittwoch (05.11.2008) den Sieg ihres Kandidaten. Die Wahl hatte die Menschen elektrisiert wie seit langem nicht mehr. Dies war auch abzulesen an der hohen Wahlbeteiligung, die nach Berichten mit rund 66 Prozent so hoch war wie seit hundert Jahren nicht mehr. Bei der Wahl von John F. Kennedy zum US-Präsidenten im Jahr 1960 hatte die Wahlbeteiligung bei 63,1 Prozent gelegen.
Der Sieg Obamas weckte auch Hoffnungen auf bessere internationale Beziehungen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, er freue sich auf eine "erneuerte Partnerschaft" zwischen den USA und den Vereinten Nationen sowie einen "neuen Multilateralismus".
Gewaltige Hoffnung nach historischem Sieg
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Obama zu seinem "historischem Wahlsieg" und wünschte ihm "Freude an seiner Arbeit, Kraft und auch das notwendige Glück".
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy erklärte, Obamas Sieg wecke "gewaltige Hoffnung". Der britische Premierminister Gordon Brown lobte Obamas "Visionen für die Zukunft".
Russlands Präsident Dmitri Medwedew ging hingegen auf Konfrontationskurs. In einer Rede an die Nation warf er der US-Regierung vor, durch ihre "hochnäsige" Politik zum Georgien-Konflikt und zur Finanzkrise beigetragen zu haben.
Feiern und Freudentränen
Mit seiner Botschaft des Wandels und der Hoffnung hatte Obama bei der Wahl am Dienstag (Ortszeit) triumphiert und sich fulminant gegen seinen republikanischen Konkurrenten John McCaion durchgesetzt. Mit dem 47-Jährigen Obama wird damit ab dem 20. Januar 2009 erstmals ein Schwarzer die Weltmacht USA regieren.
Hunderttausende Amerikaner im ganzen Land feierten in der Wahlnacht bis in die Morgenstunden enthusiastisch den Sieg des Sohnes eines Schwarzafrikaners und einer weißen Amerikanerin. In vielen Städten gab es spontane Jubelfeiern. Viele Menschen weinten vor Freude, nachdem die Fernsehsender den Sieg Obamas kurz nach 23.00 Uhr (Ortszeit Ostküste) verkündet hatten.
Auch vor dem Weißen Haus in Washington feierten tausende Amerikaner den frisch gewählten US-Präsidenten. Obamas Wahlkampfslogan "Yes we can!" ("Wir schaffen es!") verwandelten die feiernden Massen in "Yes we did!" ("Wir haben es geschafft!").
Der amerikanische Traum lebt
"Dies ist unsere Zeit, um den amerikanischen Traum wieder zu beleben", sagte Obama vor jubelnden Menschen in seiner Heimatstadt Chicago: "Der Weg vor uns wird lang sein. Der Anstieg wird steil sein. Wir werden nicht alles in einem Jahr oder in einer Amtszeit erreichen. Aber Amerika, ich hatte nie mehr Hoffnung als heute Nacht, dass wir es schaffen werden!", rief er ihnen zu.
Das Land stehe angesichts zweier Kriege im Irak und in Afghanistan sowie der gravierenden Finanzkrise vor enormen Herausforderungen. Es werde einige Zeit brauchen, die Wirtschaft anzukurbeln und "Allianzen zu reparieren", sagte der neue US-Präsident.
McCain räumt Niederlage ein
Die Niederlage des Republikaners McCain zieht einen Schlussstrich unter die Ära seines Parteifreundes George W. Bush, dessen achtjährige Amtszeit von den Kriegen in Irak und Afghanistan, von Foltervorwürfen und zum Schluss von der beispiellosen Finanzkrise geprägt war.
McCain gestand seine Niederlage in Phoenix im Bundesstaat Arizona ein. "Das amerikanische Volk hat gesprochen und es hat klar gesprochen", sagte er. McCain rief seinen enttäuschten Anhängern zu: "Der Fehler liegt bei mir - nicht bei Euch." Obama habe "Großes für sich und für sein Land erreicht".
Sogar Bush ist stolz
Selbst der noch amtierende Präsident Bush gab am Mittwoch zu, dass Obamas Weg den "Triumph des amerikanischen Traums" widerspiegele. "Alle Amerikaner können stolz auf die Geschichte sein, die gestern geschrieben wurde", sagte der 62-Jährige. Die Wahl habe der Welt "die Vitalität der amerikanischen Demokratie vor Augen geführt".
Obama stand endgültig als 44. Präsident der Vereinigten Staaten fest, als er nach Hochrechnungen und ersten Auszählungsergebnissen in den drei Westküstenstaaten Kalifornien, Washington und Oregon gesiegt hatte. Er entschied auch die Rennen in den besonders umkämpften Staaten Florida, Ohio und Pennsylvania für sich. Vor allem Ohio und Florida galten als Schlüsselstaaten für den Sieg. Auch in der Republikaner-Hochburg Virginia setzte sich der Demokrat durch.
Demokraten auch bei Kongresswahlen vorn
Die Demokraten konnten auch bei den Kongresswahlen deutlich gewinnen. Allerdings blieb hier ein erwarteter Erdrutschsieg aus. Im Senat verloren die Republikaner nach dem Stand der Auszählung vom Mittwochnachmittag MEZ mindestens fünf Sitze und fielen damit auf 40 Senatoren zurück. Als unwahrscheinlich galt aber, dass die Demokraten die Schwelle von 60 Senatorensitzen erreichen, mit der in der ersten Parlamentskammer alle Initiativen durchgesetzt werden können.
Obama profitierte nach dem längsten und teuersten Wahlkampf in der Geschichte der USA vom Vertrauen seiner Landsleute, dass er noch am ehesten die schwere Finanzkrise und drohende Rezession in den Griff bekommen könnte.
Volksentscheide in mehreren Staaten
In mehreren US-Bundesstaaten haben die Wähler neben der Präsidentenwahl auch über gesellschaftliche Streitfragen wie Homo-Ehe und Sterbehilfe abgestimmt. In Kalifornien steht die Homo-Ehe nach einem Volksentscheid wieder vor dem Aus. Nach noch unvollständigem Ergebnissen stimmten die Wähler knapp für eine Verfassungsänderung, der zufolge die Ehe als Lebensbund von Mann und Frau definiert wird. Die seit Mai zulässige gleichgeschlechtliche Ehe in dem Bundesstaat müsste somit wieder abgeschafft werden.
Im US-Bundesstaat Washington billigten die Wähler eine Initiative zur Legalisierung ärztlicher Sterbehilfe. Geistig zurechnungsfähige Schwerstkranke mit einer Lebenserwartung von maximal sechs Monaten sollen künftig unter bestimmten Voraussetzungen das Recht bekommen, sich vom Arzt tödlich wirkende Arzneimittel verschreiben zu lassen. Der Westküsten-Bundesstaat wird durch das neue Gesetz der zweite Staat mit legalisierter ärztlicher Sterbehilfe. Oregon hatte schon 1997 eine solche Maßnahme beschlossen.
Bei Volksentscheiden in South Dakota und Colorado lehnten die Bürger vollständige Abtreibungsverbote ab. Im Bundesstaat South Dakota sprachen sich die Wähler gegen eine Initiative aus, Schwangerschaftsabbruch fast vollständig zu verbieten. Abtreibungen wären nach der Gesetzesvorlage nur legal gewesen, wenn die Schwangerschaft das Leben der schwangeren Frau gefährdet, oder wenn die Schwangerschaft durch Vergewaltigung entstanden ist. In Colorado lehnten die Wähler ein Anti-Abtreibungsgesetz ab, wonach der Mensch von der Empfängnis an volle Bürger- und Menschenrechte genießen sollte. (gri)