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Europas Nadelstiche gegen Russland

Bernd Riegert16. März 2014

EU und NATO erkennen das Krim-Referendum nicht an. Jetzt will die EU Reisen beschränken und Konten sperren. Russland soll zu Verhandlungen gezwungen werden. Wirtschaftssanktionen sind noch weit entfernt.

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Jose Barroso (li.) und Herman Van Rompuy (Foto: dpa)
Einhellige Ablehnung im Namen Europas: Jose Barroso (li.) und Herman Van RompuyBild: picture-alliance/dpa

Die Europäische Union, die NATO, der Europarat und die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten sind sich einig: Das Referendum zur Unabhängigkeit der Krim-Halbinsel von der Ukraine wird nicht anerkannt. Schon vor dem Ende der eigentlichen Abstimmung erklärten der Ratspräsident der Europäischen Union, Herman Van Rompuy, und der Präsident der EU-Kommission, Jose Barroso, gemeinsam in Brüssel: "Das Referendum ist illegal und sein Ergebnis wird nicht beachtet werden." Die beiden Präsidenten wiederholten noch einmal ihre Aufforderung an Russland, seine Truppen auf der Krim auf die Stärke zu reduzieren, die sie vor der Krise hatten. Wie die 28 Staats- und Regierungschefs der EU am 6. März forderten die EU-Spitzen, die territoriale Unversehrtheit der Ukraine zu achten. "Eine Lösung der Krise ist nur möglich, wenn wir gemeinsam in einem diplomatischen Prozess arbeiten, der direkte Gespräche zwischen den Regierungen der Ukraine und Russlands einschließt", so Van Rompuy und Barroso in ihrer in Brüssel verbreiteten Erklärung.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte bereits am Samstag erklärt, die Allianz lehne das Referendum auf der Krim als rechtswidrig ab. "Die Russische Föderation sollte verantwortlich handeln, ihren Pflichten nach internationalem Recht nachkommen und den Prinzipien folgen, die im NATO-Russland-Rat gelten. Verhandlungen zur Entspannung der Situation und eine politische Lösung sollten eine Chance erhalten." Die NATO schlug sich außerdem mit einer Attacke auf ihre Internet-Seiten herum, für die sich eine Gruppe mit dem Namen "Cyber-Berkut" verantwortlich bezeichnete. Eine Sprecherin der NATO erklärte, die Arbeitsfähigkeit der Allianz sei nicht betroffen. Die Cyber-Angriffe gingen weiter, die NATO-Seiten würden wieder hergestellt.

Keine kurzfristige Lösung für die Krim

Der russische Präsident Wladimir Putin ist zur Einrichtung einer international geforderten Kontaktgruppe und der Aufnahme von Gesprächen wohl weiterhin nicht bereit. In einem erneuten Telefonat mit der deutschen Regierungschefin, Angela Merkel, zeigte sich Putin damit einverstanden, mehr Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in die Ukraine zu schicken. Unbewaffneten OSZE-Beobachtern war in den letzten Tagen allerdings der Zugang zur besetzten Krim-Halbinsel von russischen Soldaten ohne Hoheitsabzeichen an der Uniform verweigert worden. Moskau bezeichnet diese Soldaten als Selbstverteidigungskräfte der Krim, auf die Russland keinen Einfluss hätte.

Auch der Europarat in Straßburg, ein Zusammenschluss europäischer Staaten, dem auch Russland und die Ukraine angehören, kritisierte das Referendum auf der Krim und erklärte sich mit den "Menschen in der Ukraine solidarisch." Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjörn Jagland, sagte der Deutschen Welle, er glaube nicht, dass es zu einem Krieg um die Krim kommen werde: "Ich bin nicht zuversichtlich, dass wir jetzt eine Lösung für die Krim finden können. Vielleicht ist es in der Zukunft möglich, eine Lösung zu finden." Eine Abspaltung der Krim und eine Aufnahme durch Russland ist auch nach Ansicht von EU-Diplomaten in Brüssel trotz aller verbalen Proteste nicht mehr zu vermeiden. Die EU rechnet damit, dass die Krim-Regierung in den nächsten Tagen offiziell die Aufnahme in die Russische Förderation vollziehen wird. Der Ablauf folge einem in Russland geschriebenen "Drehbuch". Mit weiteren Nadelstichen sollten offenbar die Nerven der Europäer getestet werden. Für Europa sei die Krise auch ein Test für seine Glaubwürdigkeit und eine Chance, gemeinsam Stärke zu zeigen, so die Analyse von EU-Diplomaten, die nicht namentlich genannt werden wollten.

EU-Außenminister wollen erste Sanktionen verhängen

Am Montag (17.03.2014) wollen die EU-Außenminister bei einem Treffen in Brüssel erste Sanktionen gegen eine Gruppe von russischen Bürgern und Machthabern auf der Krim verhängen. Dabei geht es um Einreiseverbote und die Sperrung von Bankkonten, auf denen russische Vermögen in der EU angelegt sind. Diese zweite Stufe der Reaktion auf das Vorgehen Russlands in der Krise rund um die Ukraine hatten die Staats- und Regierungschefs vor zehn Tagen angekündigt. Da Russland keine Anstalten mache, in einer internationalen Kontaktgruppe oder bilateral über eine politische Lösung für die Krise zu sprechen, müsse nun gehandelt werden. Um Russland in die richtige Richtung zu lenken, müssten nun Maßnahmen beschlossen werden, erklärten EU-Ratspräsident Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Barroso.

Die Liste der Personen, gegen die Sanktionen verhängt werden sollen, umfasst angeblich rund 100 Personen. Einige Personen sollen in der engsten Umgebung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu finden sein. Nach Angaben von EU-Diplomaten ist der genaue Personenkreis aber noch umstritten. Einige EU-Mitgliedsstaaten wie Zypern oder Spanien warnen vor einem zu harten Vorgehen. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, der im Moment auch den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen führt, sagte, Russland habe sich international völlig isoliert. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nannte die Situation in der Zeitung "Welt am Sonntag" "brandgefährlich". Die Bundesregierung ist wie viele andere Regierungen in der EU der Auffassung, dass Russland auch nach der Verhängung von Sanktionen weiter Gespräche und ein diplomatischer Ausweg angeboten werden müssten.

Dritte Stufe der Sanktionen bei Eskalation in der östlichen Ukraine

Sollte sich Russland auch nach der am Montag wahrscheinlich erfolgenden Verhängung von Reise- und Kontosperren nicht auf eine internationale Kontaktgruppe und direkte Gespräche mit der Regierung in Kiew einlassen, ist unklar, was die EU dann unternehmen könnte. Die "dritte Stufe" ihrer Sanktionen wären nach dem Gipfel-Beschluss der Staats- und Regierungschefs echte Wirtschaftssanktionen und Handelsbeschränkungen. Die sollen aber erst verhängt werden, wenn Russland die Lage in der östlichen Ukraine destabilisieren oder gar Truppen schicken sollte. Erste Meldungen über Auseinandersetzungen von pro-russischen Demonstranten mit regulären ukrainischen Truppen gab es bereits. Moskau sprach von vereinzelten "Hilferufen" ethnischer Russen in der östlichen Ukraine, in der mehrheitlich russisch-sprachige Menschen leben. Wirtschaftssanktionen wären die schärfste Waffen, die Europa einsetzen könnte. In Brüssel und Berlin befürchtet man jedoch, dass diese zu einer Spirale aus Sanktionen und Gegensanktionen mit schwer abzuschätzenden Folgen führen könnten.

Angela Merkel mit Handy (Foto: dpa)
Telefonieren mit Russland: Bundeskanzlerin MerkelBild: picture-alliance/dpa
Thorbjörn Jagland (Foto: dpa)
Thorbjörn Jagland: Keine Lösung für die KrimBild: picture alliance/dpa