Die Krim macht sich auf den Weg
16. März 2014Der Anfang des "historischen Tages", wie der 16. März auf der Krim von den Propagandisten des Referendums über den Beitritt zu Russland genannt wurde, versprach seinen Organisatoren nichts Gutes. Die vorherige Nacht war stürmisch und der Morgen fing in Simferopol, der Hauptstadt der Halbinsel, mit Regen an.
Unklarheit über Wähler und Fragen
Dennoch hatten schon am Vormittag die Mitglieder der kurzfristig einberufenen lokalen Wahlkommissionen viel zu tun. Exakt zehn Tage hatten sich die neuen Machthaber gegeben, um die Abstimmung zu organisieren. Die Regierung in Kiew hatte sich geweigert, die Wählerlisten an Simferopol zu übergeben. "Wir haben uns an den Daten der letzten Abstimmung orientiert", erklärte der Wahlleiter Michail Malyschew. So kamen 1,5 Millionen Stimmzettel zusammen, die für das Referendum gedruckt wurden. "Etwa ein Prozent mehr als die Anzahl der Wähler", sagt er. Die offizielle Erklärung dafür: Wenn ein Wähler aus Versehen anders abstimmt, als er es vorhatte, kann er einen Ersatz-Wahlzettel bekommen.
Auf den Stimmzetteln standen zwei Fragen. Sie wurden jeweils auf Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch gestellt - den Sprachen der größten ethnischen Gruppen auf der Halbinsel. Die erste Frage lautete klar und deutlich: "Sind Sie für die Vereinigung der Krim mit Russland als Subjekt der Russischen Föderation?" Bei der zweiten Frage ging es um den Verbleib bei der Ukraine, allerdings mit einer Veränderung: "Sind Sie für die Wiederherstellung der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für den Status der Krim als Teil der Ukraine?" Gemeint war die Verfassung, die der Krim eine breite Autonomie gewährleistete. Sie entstand in der Zeit der Auflösung der UdSSR, wurde aber kurz nach ihrer Einführung schon wieder abgeschafft.
Gegen "Faschisten" und für Stabilität
Aufklärung über die rätselhafte zweite Frage gab es nicht. Seit mehr als einer Woche sind alle ukrainischen Fernsehsender im analogen Fernsehen auf der Krim abgeschaltet. Die russischen Kanäle senden hingegen und lassen kein gutes Wort an "Nationalisten" und "Banditen" in Kiew.
"Die Ukraine hat uns an Faschisten verraten, deswegen habe ich für den Beitritt zu Russland gestimmt", erklärt ein junger Mann, der sich als Igor vorstellt. Ein älteres Ehepaar - Arif, ein Aserbaidschaner, und Nina, eine Russin - wählten "mehr Stabilität". Sie sind für die Vereinigung der Krim mit Russland. "Wir haben doch alle gesehen, was in Kiew los war", sagt Nina mit ruhiger Stimme.
Sympathie für Putin und Warnung an ihn
Alla, Leiterin einer Berufschule, ist überzeugt: "Die historische Gerechtigkeit sollte siegen, deswegen habe ich Russland meine Stimme gegeben." Die Krim sei schon immer russisch gewesen. Jetzt werde alles besser, denn Russland habe im Gegensatz zur Ukraine einen guten Führer, ist die Mittvierzigerin sich sicher. Der 36-jährige Andrej warnt hingegen: "Sollte Russland uns so behandeln wie Südossetien und Abchasien, die arm wurden, werden wir uns wehren."
Der junge Computeringenieur Gennadij ist einer der wenigen, der an diesem Tag davon spricht, dass er für den Verbleib in der Ukraine gestimmt hat. "Die Entwicklung in unserem Land hat gezeigt, dass wir jetzt mehr Einfluss auf die Mächtigen haben. In Russland gibt es kaum Freiheiten", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Rechtspopulist als Wahlbeobachter
Eine andere Sicht der Dinge hat Johann Gudenus, Mitglied des Wiener Landtags und der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs. Er ist einer von ein paar Dutzend europäischen Abgeordneten, die die Organisatoren des Referendums selbst als internationale Wahlbeobachter auf die Krim geholt haben. "Die meisten europäischen Politiker hängen oft am Gängelband der USA. Und die USA richten sich das Völkerrecht oft so, wie sie es brauchen." Gudenus kam erst am Vortag des Referendums auf der Krim an. "Ich kann nur sagen, was ich sehen konnte. Und das lässt keine Rückschlüsse auf Druck, Propaganda oder militärischen Einfluss zu."
Der Blick in die Straßen von Simferopol zeigt ein anderes Bild. Überall sind Wahlplakate aufgestellt, die massiv für einen Anschluss der Krim an Russland werben. Für einen Verbleib der Krim bei der Ukraine findet man dagegen keine Werbung. Gleichzeitig ist das russische Militär in der Stadt präsent.
Die Krim auf dem Weg
Die Organisatoren des Referendums waren sehr daran interessiert, dass die Abstimmung selbst ohne Zwischenfälle stattfindet. Am Mittag teilte die Wahlleitung mit, dass sich schon weit mehr als 50 Prozent der Wähler an der Abstimmung beteiligt hätten. Um das Referendum zu feiern, kam die russische Band "Ljube" am Abend für ein Konzert auf den Lenin-Platz im Zentrum von Simferopol. Die Gruppe ist unter anderem für ihre patriotischen Lieder bekannt. Der russische Präsident Putin möge "Ljube", sagt man in Moskau. In einem Cafe unweit des Lenin-Platzes sang auf einem Bildschirm Robbie Williams das bekannte Lied von Frank Sinatra: "I did it my way". Auf ihren Weg machte sich an diesem Sonntag die Krim.