Papst bittet Missbrauchsopfer um Entschuldigung
7. Juli 2014In seinem inzwischen 16 Monate währenden Pontifikat hat sich Papst Franziskus nicht nur als Menschenfreund und Reformer zu erkennen gegeben. Er ist auch ein Verfechter klarer und unmissverständlicher Worte. Ende Mai hatte er den Missbrauch an Kindern durch Geistliche gebrandmarkt. Bei Missbrauchsvergehen durch katholische Geistliche werde es "null Toleranz" geben. Schon damals kündigte Franziskus an, dass er Missbrauchsopfer in den Vatikan einladen werde.
Er hielt Wort: Jeweils zwei Iren, Briten und Deutsche feierten an diesem Montag (07.07.2014) zunächst mit Franziskus die Frühmesse in der Kapelle des Papstes. In seiner Predigt bat Franziskus im Namen der Kirche um Vergebung für die Verbrechen. Das Leid der Opfer laste schwer auf dem Gewissen der ganzen Kirche, sagte er den Betroffenen. Um Vergebung bat er auch dafür, dass Kirchenverantwortliche es unterlassen hätten, "angemessen auf Berichte über Missbrauch zu reagieren", sagte der Papst. Dieses Verhalten habe zu noch mehr Leid geführt.
Danach nahm er sich Zeit für ausführliche Gespräche in seiner privaten Residenz nahe dem Petersdom. Das Problem des Missbrauchs durch Kirchenleute sei breit thematisiert worden, so Vatikansprecher Federico Lombardie. Es sei eine intensive und bewegende Zusammenkunft gewesen. Franziskus habe mit jedem der Opfer rund eine halbe Stunde lang gesprochen.
Neue Dimension
"Das ist neu", sagt Ludwig Ring-Eifel, Chef-Redakteur der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Schon Papst Benedikt XVI. habe Missbrauchsopfer im Rahmen von Auslandsreisen getroffen. Noch nie aber seien Betroffene im Vatikan empfangen worden. Das Franziskus dieses Thema in den Vatikan hinein holt, sei eine neue Dimension. "Damit sagt er, das ist nicht irgendein Thema, das draußen irgendwo an der Peripherie stattfindet, sondern das ist mittendrin in der Kirche." Die zweite große Geste sei die gemeinsame Heilige Messe mit den Opfern, so der Journalist. Das zeige, dass sich die Kirche anders damit auseinandersetzt als bisher: "Sie sieht es als ihr Thema."
Eine Ansicht, die Matthias Katsch ähnlich bewertet. Der Sprecher der Opferinitiative "Eckiger Tisch", betont, die Kirche sei es gewohnt, "als Lehrmeisterin in moralischen Fragen aufzutreten", das sei ihr Selbstverständnis. "Aber hier geht es jetzt zuallererst mal darum, dass sie die Rolle des Zuhörers einnimmt, und die Bereitschaft zeigt, zu lernen, von dem, was die Menschen ihr zu sagen haben."
Den Papst beim Wort nehmen
Hinsichtlich des "null Toleranz"- Versprechens werde die Opferinitiative "Eckiger Tisch" Franziskus beim Wort nehmen. "Das ist eine ganz wichtige Festlegung." Täter dürften unter keinen Umständen weiterhin Priester sein. Darüber hinaus sei es allerdings auch notwendig, nicht nur gegenüber den Tätern diese "null Toleranz" zu fahren, "sondern auch gegenüber deren Vorgesetzten, also den Bischöfen". Im Klartext heiße das, so Katsch: "Führungskräfte, die in der Vergangenheit an der Vertuschung von Missbrauch beteiligt gewesen sind, Bischöfe, Ordnungsvorgesetzte, die sollten ihres Leitungsamtes enthoben werden."
Drei Forderungen
Dem Auftakt, den Papst Franziskus in seinem Pontifikat vorgenommen hat, sollten nun drei entscheidende Dinge folgen, sagt Katsch, der selbst kirchliches Missbrauchsopfer ist: Das Erste seien Transparenz und Offenheit. "Das haben wir in der Vergangenheit zu sehr vermisst bei diesem Thema, und das ist auch der Lösungsweg für die Zukunft." Als Zweites nennt er Verantwortung und Haftung von kirchlichen Führungskräften. Und als Drittes die Frage nach der Rolle der Frau. "Wenn wir über Prävention sprechen und die Vergangenheit angucken, dann ist es ja gerade dieses 'Männerbündische' in der katholischen Kirche, was entscheidend beigetragen hat zu der Vielzahl an Missbrauchsfällen überall in der Welt." Eine stärkere Beteiligung von Frauen in Leitungsaufgaben in der Kirche wäre, so Katsch, ein wichtiges strukturelles Element, um Missbrauch in der Zukunft vorzubeugen.
Neues Gremium
Dafür, dass der Papst sich mit neuer Kraft und neuen Mitteln gegen die Plage des sexuellen Missbrauchs und damit dem Verfalls katholischer Glaubwürdigkeit entgegenstellt, spricht auch die Berufung einer Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Das Gremium, das aus vier Männern und vier Frauen und zu gleichen Teilen aus Priestern und Laien besteht, war im März von Franziskus eingesetzt worden. Es traf sich passend zur Begegnung des Papstes mit den Missbrauchsopfern.
Ein Reformgremium in der Findungsphase - Vatikan-Kenner Ludwig Ring-Eifel jedenfalls sagt: "Was genau dessen Arbeitsauftrag ist, ist noch etwas vage. Es soll Richtlinien entwickeln, die für die gesamte weltweite katholische Kirche erst mal empfehlenden und dann vielleicht auch verbindlichen Charakter haben werden." Die Zielrichtung gehe seiner Einschätzung nach in die kern-katholischen Länder, wie etwa Italien oder Polen. "Dort ist noch nichts zu sehen von einem Befassen der Kirchen mit dem Thema Missbrauch, von breiten öffentlichen Debatten, Kommissionen oder Prävention."