Noch Fragen? Angela Merkel im Parlament
18. Dezember 2019Angela Merkel im nebelgrauen Blazer kommt fünf Minuten vor Beginn der Fragestunde in den Plenarsaal, geht noch einmal kurz zur SPD-Fraktion und zu den Grünen und wird dann schon von der Glocke daran erinnert, schnell ihren Platz einzunehmen. Merkel eilt in die Regierungsbank, Reihe eins, Platz eins. Sie ruckelt das Mikrofon zurecht, stützt ihre Arme mit gespreizten Händen am Tischchen vor ihr ab. Das Wasserglas darauf wird sie die ganze Zeit über nicht anrühren.
Die Reihen in den Fraktionen sind nur zur Hälfte gefüllt, die hinteren Reihen bleiben leer. Zunächst ist die Stimmung eher unkonzentriert. Das Handy scheint für viele Abgeordnete spannender zu sein als die Kanzlerin, man redet mit den Nachbarn. Nicht ungewöhnlich für den Bundestag, aber bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie selten so eine Fragestunde mit der Regierungschefin ist.
Der Bundestag experimentiert seit 2018 mit dieser Form: Die Abgeordneten können der Bundeskanzlerin im Plenum Fragen stellen. Eine Stunde ist dafür vorgesehen, dreimal im Jahr. Am Format wird noch gebastelt. So sind inzwischen auch Nachfragen erlaubt. Beim ersten Mal war der Ablauf noch streng auf das Prinzip Frage-Antwort-nächste Frage beschränkt.
Für Frage und Antwort sind jeweils eine Minute vorgesehen, für eine Nachfrage 30 Sekunden. Dem Sitzungsleiter liegt eine Liste der Fragesteller vor. Innerhalb der Fraktionen wird vorher darüber abgestimmt, wer fragen darf und zu welchem Thema. Denn in einer Stunde kommen bei sechs Fraktionen nur wenige Abgeordnete dran, durchschnittlich vier waren es dieses Mal.
Kanzlerin sorgt für Lacher
Merkel beginnt mit einem längeren Statement zum jüngsten EU-Gipfel. Die Kanzlerin berichtet oft und ausführlich über internationale Treffen im Bundestag. Doch an dieser Stelle geht das von der knappen Zeit für die Fragenden ab.
Sie sei nun am Ende "meines Vortrags", sagt sie. "Meines Vortrags", betont sie noch noch einmal - und viele lachen im Saal. Denn darüber, wie lange Merkel noch Kanzlerin sein wird, wird in Berlin viel spekuliert. Auch an anderen Stellen versucht Merkel immer wieder, die Stimmung aufzulockern. Wie viel Zeit habe sie nun eigentlich für die Antwort, fragt sie ihren Nachbarn und dann den Sitzungsleiter, Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble. Nun habe sie aber genug Werbung für diese Zeitschrift gemacht, sagt sie, als sie sich in einer Antwort auf einen Artikel darin beruft. Dabei schreibe die Zeitschrift viel Kritisches über sie - wieder hört man Lacher.
Die ersten Fragen sind wenig überraschend. Die AfD will wissen, ob sie sich eine Mitschuld an der "gestiegenen Kriminalitätsrate durch Zuwanderer" gebe. Die Grünen fragen nach den Klima-Zielen. Die FDP will noch einmal genau wissen, warum es eine neue bürokratische Pflicht für Kassenbons gibt. CDU/CSU und SPD geht es ebenfalls um das vieldiskutierte Thema Klima. Die Linke sieht zivilgesellschaftliche Organisationen in Bedrängnis. Merkel erklärt und verteidigt ihre Politik, zunächst ohne Aufmerken.
Huawei und Nord Stream 2 sorgen für Spannung
Stimmt es, dass China Folgen angekündigt habe, sollte Huawei keinen Zugriff auf den Ausbau von 5G bekommen, wird Merkel von der SPD gefragt? Eine direkte Antwort gibt sie - auch auf Nachfrage - dazu nicht. Nur, dass sie dagegen sei, explizit einen Anbieter auszuschließen. Das Format lässt keine weitere Nachfrage zu. Auch der Bundestagspräsident mischt sich inhaltlich nicht ein.
Die FDP will wissen, was es mit dem Gesetzesentwurf auf sich hat, dass demnächst Passwörter von den Sicherheitsbehörden abgefragt werden könnten. Eigentlich dürften die nur verschlüsselt gespeichert werden. Ob sich das nun ändern solle? Merkel gibt zu, sie müsse sich noch "technisch kundig" machen, habe noch nicht alles gelesen.
Die AfD fragt, ob Merkel Gegensanktionen plane als Antwort auf die US-Sanktionen gegen deutsche Firmen, die beim Bau von Nord Stream 2 beteiligt sind. Die Kanzlerin antwortet mit "Nein". Die AfD fragt, ob das international nicht als "Palaver" und schwaches Zeichen gewertet werde, schon beim NSA-Abhörskandal sei die deutsche Regierung nach Ansicht der AfD "nur" zurückgewichen. Merkel kontert scharf: Weder bei der NSA noch jetzt weiche Deutschland zurück.
Ob Deutschland bereit sei, Kinder aus Flüchtlingslagern in Griechenland aufzunehmen, fragen die Grünen. Deutschland habe schon viel getan, jetzt seien auch die anderen EU-Länder dran, antwortet Merkel sinngemäß. Dann flüstert ihr ein Staatssekretär etwas zu: Die Kanzlerin schwächt ihre Aussage etwas ab, es gebe Gespräche.
Streitgespräch in engen Grenzen
Getuschelt und gelacht wird inzwischen nicht mehr. Die Stunde ist fast vorbei. Eine Frage noch, heißt es vom Präsidium. Auch dieses Thema böte Stoff für Konfrontationen. Die FDP fragt, warum es einen Dialog mit den Bauern gebe und parallel an neuen Düngeregeln gearbeitet würde, die das Ergebnis des Dialogs schon vorwegnehmen würden. Sei der Dialog nur eine "Farce"?
Merkel verweist auf die EU-Richtlinien und drohende Strafzahlungen. Die "vage Antwort" könne nicht befriedigen, erwidern die Fragesteller. Merkel antwortet knapp: Die Dünge-Verordnung müsse erfüllt werden - ihr Schlusswort. Ende der Nachfragen.