Neues Qualifying wird zur Farce
19. März 2016Genau 60 Minuten dauerte es, da lag das neue Qualifying-Format der Formel 1 schon in Trümmern. Die Premiere des Ausscheidungsmodus' beim Großen Preis von Australien wurde zur Farce, es herrschte Chaos auf der Strecke und in den Boxen, die Piloten beendeten die Jagd nach der Pole vorzeitig. Dennoch lagen am Ende die Favoriten vorne: Weltmeister Lewis Hamilton hat gleich zum Auftakt der neuen Formel-1-Saison seinen Favoritenstatus unterstrichen und sich die Pole Position für das Rennen am Sonntag (Start 6:00 Uhr MEZ, im DW-Liveticker) gesichert. Der Mercedes-Pilot drehte im Qualifying von Melbourne die schnellste Runde und verwies seinen Teamkollegen Nico Rosberg sowie Ferrari-Star Sebastian Vettel auf die Plätze zwei und drei.
"Der Wagen hat sich gut angefühlt, er hat sich gut bewegt. Da war ein wunderbarer Rhythmus", schwärmte Hamilton, der auch schon in allen drei Trainingseinheiten die schnellste Runde gedreht hatte. Einige "sexy Runden" habe er gefahren, sagte er weiter und meinte lächelnd mit Verweis auf eine US-amerikanische Soul-Legende: "Am Ende der Runde hat es sich wie bei James Brown angefühlt." Ein dickes Lob bekam Hamilton von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Dieser Junge kann fahren."
Allerdings war es auch Wolff, der anschließend die lange Reihe der Kritiker anführte: "Ich sage ja selbst immer, wir sollen öffentlich nicht schlecht über die Formel 1 reden", sagte er. "Aber ich glaube, das neue Qualifying-Format ist ziemlicher Mist."
Zurück zum Bewährten?
Schon nach der ersten Aufführung wollen die meisten prominenten Vertreter der Königsklasse deshalb zurück zum alten Modus. Sie fühlen sich bestätigt, denn schon vor dem Saisonauftakt hatten gerade die Fahrer laut ihr Unverständnis über die Maßnahme mitgeteilt.
Bis zum Ende der vergangenen Saison durften alle verbliebenen Piloten den jeweiligen Abschnitt (Q1, Q2, Q3) bis zum Ende bestreiten, erst danach wurde in der Zeitentabelle abgerechnet. Dabei herrschte stets Spannung bis zum Schluss. Nun scheidet nach einer Einrollphase in jedem der drei Abschnitte im 90-Sekunden-Takt der schwächste Fahrer aus.
Doch der Zwang, früh aus der Box zu fahren, lässt vor allem die Reifen früher abbauen. Am Ende tickte die Qualifying-Uhr noch, doch die besten Fahrer waren bereits ihren Autos entstiegen. "Das ist einfach falsch", sagte Vettel: "Am Ende hatten die Leute auf den Tribünen nichts mehr zu sehen."
Die Pressekonferenz der besten drei Piloten des Qualifyings am Samstag stand dann auch unter dem Motto: "Wir haben's euch ja gesagt". Sebastian Vettel saß schon in Jeans auf dem Podium, völlig ungewöhnlich so kurz nach dem Qualifying - aber wie so viele Piloten hatte auch der Ferrari-Fahrer die Zeitenjagd frühzeitig abgebrochen. "Ich weiß nicht, warum alle so überrascht sind", sagte er: "Wir haben gesagt, dass es so kommt, dass das Format nicht funktioniert." Pole-Setter Lewis Hamilton schlug in die gleiche Kerbe, und sein Mercedes-Teamrivale Nico Rosberg sagte: "Es ist gut, dass die Formel 1 Neues ausprobiert. Aber das ist nicht der richtige Weg."
Gut gemeint - schlecht gemacht
Schon die Einführung zwei Wochen vor der Saison hatte für Kopfschütteln gesorgt, im Rahmen der Umsetzung kam es mal wieder zum Streit zwischen Weltverband FIA und Rechteinhaber Bernie Ecclestone. Die Erkenntnisse aus Melbourne machen aus der "Qualifying-Revolution" nun ein ziemlich peinliches Kapitel, so etwas kann sich die um Zuschauer kämpfende Königsklasse momentan eigentlich nicht leisten.
"Wir haben die Dinge verkompliziert in einer Zeit, in der wir sie vereinfachen sollten", sagte Wolff. Schon für das kommende Rennen in Bahrain werde nun darüber diskutiert, ob wieder der alte Modus zum Einsatz kommt. "Wir müssen schnell sein", sagte Wolff. Und Red-Bull-Teamchef Christian Horner entschuldigte sich gar bei den Fans: "Es war gut gemeint, aber es ist schiefgelaufen. Was wir heute gesehen haben, war nicht gut für die Formel 1."
Hülkenberg und Wehrlein im Hinterfeld
Nico Hülkenberg musste sich beim Qualifying in seinem Force India mit Platz zehn begnügen. Für den Grand Prix ist er dennoch zuversichtlich. "Das erste Rennen hat immer das Potenzial, unvorhersehbar und ereignisreich zu werden", sagte Hülkenberg. Debütant Pascal Wehrlein erlebte nur eine ganz kurze Qualifikation. Der 21-Jährige profitierte sogar noch von einer Strafe für seinen Manor-Teamkollegen Rio Haryanto und geht als Vorletzter der insgesamt 22 Piloten in den Großen Preis im Albert Park. "Das Rennen wird wieder eine ganz andere Geschichte", versicherte er.
asz/ck (sid, dpa)