Neuer Name, altes Problem: Clan-Kriminalität
24. September 2019"Clan-Kriminalität ist im Bereich der Organisierten Kriminalität zunehmend stärker in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden gerückt", sagt der deutsche Innenminister Horst Seehofer am Dienstag in Berlin. Neben ihm sitzt der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch. Gemeinsam präsentieren und erläutern sie das aktuelle Bundeslagebild zur Organisierten Kriminalität, kurz OK genannt.
Die Betonung der sogenannten Clan-Kriminalität kommt wenig überraschend. Seit Monaten berichten Medien immer häufiger von Großfamilien unterschiedlichster Nationalität, die durch Straftaten 2018 einen laut BKA-Jargon "kriminellen Ertrag" von 28 Millionen Euro erwirtschaftet haben sollen. Das meiste Geld verdienen die Clans demnach mit dem Handeln und Schmuggeln von Rauschgift, gefolgt von Diebstahl und Einbrüchen.
Seehofer sagt kriminellen Parallelgesellschaften den Kampf an
Gemessen am Gesamtschaden durch Organisierte Kriminalität in Höhe von 691 Millionen Euro fallen die 28 Millionen allerdings kaum ins Gewicht. Dass die Bekämpfung von Clan-Kriminalität bei Politikern und Strafverfolgern inzwischen höchste Priorität genießt, hat andere Gründe. Innenminister Seehofer fasst sie in einem Satz zusammen: "Kriminelle Parallelgesellschaften darf es in unserem Land nicht geben."
Dahinter steckt die aus Sicht vieler Kritiker späte Einsicht, kriminelle Familien-Strukturen zu lange ignoriert zu haben. Clans forderten den Rechtsstaat auf vielfältige Weise heraus, sagt BKA-Chef Münch. Sie akzeptierten den Staat und seine Vertreter nicht, reklamierten für sich eigene Hoheitsgebiete, störten die öffentliche Ordnung und versuchten, eigene Regeln durchzusetzen. "Diesen Entwicklungen müssen wir mit allen rechtlichen und tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenwirken", gibt sich Münch entschlossen.
Der Verfolgungsdruck auf Clan-Familien nimmt zu
Dafür arbeitet das BKA seit 2018 enger denn je mit den Bundesländern zusammen. Auch die für Grenzsicherung zuständige Bundespolizei und das Zollkriminalamt sind Teil der neuen Struktur. Der neue Schwerpunkt ist ein unmissverständliches Signal an kriminelle Clans, dass der Verfolgungsdruck hoch bleiben soll. Dazu gehören häufigere bei Razzien in einschlägig bekannten Milieus und der Versuch, mutmaßlich illegal erworbenes Geld und Immobilien zu beschlagnahmen.
Hotspots der Clan-Kriminalität sind das mit 18 Millionen Einwohnern größte Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW), Niedersachsen sowie die Stadtstaaten Berlin und Bremen. Mit 22 von 45 Ermittlungsverfahren entfiel fast die Hälfte auf NRW. Bundesinnenminister Seehofer spricht von einer "Null-Toleranz"-Strategie gegenüber Clan-Kriminalität. Wobei er und BKA-Chef Münch einräumen, noch keine landesweit einheitliche Definition für dieses Phänomen zu haben.
Wie das BKA Clan-Kriminalität definiert
Im Lagebericht zur Organisierten Kriminalität stehen ein paar "Zuordnungskriterien und Indikatoren". Allgemein handelt es sich demnach um die "Begehung von Straftaten durch Angehörige ethnisch abgeschotteter Subkulturen". Weitere Kennzeichen sind eine "starke Ausrichtung auf die zumeist patriarchalisch-hierarchisch geprägte Familienstruktur" und eine "mangelnde Integrationsbereitschaft mit Aspekten einer räumlichen Konzentration".
BKA-Präsident Münch spricht wie Seehofer von "Parallelgesellschaften". Sie stärker zu bekämpfen als in der Vergangenheit, soll nicht nur bei den Clan-Familien Eindruck hinterlassen. Das Signal ist auch an die sogenannte Mehrheitsgesellschaft gerichtet. Politik und Polizei wollen damit auch dem oft zu hörenden Vorwurf entgegentreten, die Augen vor einem alten Phänomen zu verschließen.