Neuer Parlamentspräsident
16. Januar 2007Der Europa-Abgeordnete Hans-Gert Pöttering (CDU), langjähriger Vorsitzender der christdemokratisch-konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, ist am Dienstag (16.1.) zum neuen Präsidenten des Europaparlaments gewählt worden.
In seinem neuen Amt will er vor allem mithelfen, das derzeit auf Eis liegende Projekt einer Verfassung für die Europäische Union wieder anzuschieben. Dabei wird Pöttering es im Parlament mit einer dort erstmals vertretenen Fraktion von rechtsextremen Abgeordneten zu tun bekommen. Durch die Entsendung von sechs ultrarechten Politikern aus den neuen EU-Mitgliedern Bulgarien und Rumänien kommen die Rechtsextremen im EU-Parlament erstmals auf die nötige Zahl von 20, um eine Fraktion zu gründen.
Hans-Gert Pöttering ist ein politisches Urgestein in Straßburg. Seit 1979 sitzt er im EU-Parlament. Für seine Vision eines zusammenwachsenden Europas hat er schon in seiner Schulzeit gekämpft: "Ich bin seit meinen Jugendjahren immer überzeugt gewesen, dass wir die europäische Einigung brauchen. Dafür bin ich zum Teil auch belächelt worden in jungen Jahren, weil viele nicht daran glaubten, dass wir Europa so verwirklichen würden, wie wir es verwirklicht haben - obwohl wir noch nicht am Ziel sind."
Erwartungen an die Kanzlerin
Schon seit Längerem strebte der 61-jährige Niedersachse das Amt des Parlamentspräsidenten an. Mit der Wahl am Dienstag hat er sein persönliches Ziel erreicht. Er tritt damit die Nachfolge des spanischen Sozialisten Josep Borell an.
Pöttering will sich nun vor allem einem Thema zuwenden, nämlich der EU-Verfassung: Deutschland habe ein besonderes Interesse daran, dass der Verfassungsvertrag in seiner Substanz verwirklicht werde, meint der Parlamentspräsident. "Ich hoffe, dass es Bundeskanzlerin Angela Merkel als europäischer Ratsvorsitzenden gelingt, beim Gipfeltreffen in Juni eine Vereinbarung zu treffen, wie es mit dem Verfassungsvertrag weitergeht."
Rechtsextreme gründen Fraktion
Die Verfassung liegt seit ihrem Scheitern bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden auf Eis. Sie würde unter anderem die Rolle des Parlaments stärken und ihm eine Mitentscheidung in zentralen Bereichen der EU-Innenpolitik einräumen.
Dabei könnten dann allerdings die Rechtsextremen mitreden: Seit diesem Montag sitzen nun Abgeordnete der neuen rechtsextremen Fraktion mit dem Namen "Identität, Tradition und Souveränität" (ITS), im Parlament. Und da hätten sie dann dieselben Rechte wie alle anderen, so Pöttering.
Verfahren wegen Holocaust-Leugnung
"Wenn Abgeordnete mit Meinungen, egal welcher Art, sich zusammentun und eine Fraktion bilden, dann haben sie einen offiziellen Status im Parlament, sie bekommen eine Finanzausstattung, sie bekommen auch offizielle Redezeiten zugeteilt", erklärt der CDU-Politiker. Er bedauere es, dass "diese Leute" sich zu einer Fraktion zusammengeschlossen haben. Dies würde ihre Position organisatorisch stärken, so Pöttering. "Es wird die Aufgabe der anderen Fraktionen sein, sich sehr stark politisch mit ihnen auseinanderzusetzen und so die Menschen zu überzeugen, dass sie beim nächsten Mal nicht wieder im europäischen Parlament vertreten sind."
Die ITS hat sich gegen die EU-Verfassung und gegen einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen. Vorsitzender ist der Franzose Bruno Gollnisch, Nummer zwei der rechtsextremen Front National von Jean-Marie Le Pen. Gegen Gollnisch wird am Donnerstag in einem Verfahren wegen Holocaust-Leugnung das Urteil gesprochen.
Auch Jean-Marie Le Pen gehört der neuen Fraktion an, ebenso wie der bulgarische Nationalist Dimitar Stojanow.
Verbale Entgleisungen in E-Mails
Der Bulgare hatte im Europaparlament vor einigen Wochen mit sexistischen und rassistischen Äußerungen gegen die ungarische Roma-Abgeordnete Livia Jaroka für einen Eklat gesorgt. In einer E-Mail an alle Abgeordneten schrieb Stojanow unter anderem, in seinem Land gebe es "Tausende von Zigeunermädchen", die hübscher seien als Jaroka. Wer wolle, könne sie kaufen, "für 5.000 Euro das Stück." Mit solchem verbalem Schmutz muss sich dann in Zukunft wohl auch der neue Präsident des EU-Parlaments auseinandersetzen.