Bedarfsanalyse für Syrien-Hilfen
18. Dezember 2014Angesichts weiter steigender Flüchtlingszahlen durch den Syrien-Krieg wollen die beiden UN-Organisationen für Flüchtlinge und für humanitäre Hilfe neue Wege gehen. Bei einer Konferenz am Donnerstag in Berlin wollen sie erklären, wie kurzfristige Nothilfe und langfristige Strukturhilfen künftig stärker miteinander verknüpft werden können. Zugleich werden sie den Finanzbedarf für Projekte in Syrien und den vom Bürgerkrieg betroffenen Anrainerstaaten beziffern. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) werden die Vertreter aus den UN-Mitgliedsstaaten sowie von Nichtregierungsorganisationen begrüßen.
UN-Flüchtlingskommissar António Guterres und das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) werden ihren neuen Regionalplan für Flüchtlinge und Strukturförderung vorstellen. Ziel ist, in den Nachbarstaaten Syriens Bevölkerung, Regierungen und Bürgerkriegsflüchtlinge besser mit internationalen Gebern und den mehr als 150 Entwicklungs- und Nothilfeorganisationen in den betroffenen Staaten zu vernetzen.
Mehr Entwicklungszusammenarbeit statt Nothilfe
Dieser Plan stelle einen Strategiewechsel dar, erklärte das UNDP. Anders als in früheren Jahren sollen langfristige Strukturhilfen in der Region eine größere Rolle spielen. Konkret heißt das, nicht nur Wasserflaschen zu verteilen, sondern verstärkt Wasserleitungen zu installieren. Wenn Schulen oder Abwasser-Systeme gebaut werden, soll dies sowohl den Flüchtlingen als auch der lokalen Bevölkerung dienen. Staat, Wirtschafts- und Gesellschaftstrukturen in den Anrainerstaaten Syriens sollen insgesamt gestärkt werden. Damit wird die Entwicklungszusammenarbeit im Umgang mit der humanitären Krise immer wichtiger. Hauptgrund für den Strategiewechsel ist die fehlende Aussicht auf ein Ende des knapp vierjährigen Krieges. Bereits bei einer Syrien-Konferenz im Oktober in Berlin hatten 50 Nichtregierungsorganisationen in einer gemeinsamen Erklärung gefordert, die internationalen Hilfen langfristig auszurichten. Zusätzlich hatten sie angemahnt, die bestehenden Hilfsdienste vor Ort stärker zu berücksichtigen.
Darüber hinaus will auch die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos ihre Syrien-Pläne für das kommende Jahr vorstellen. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Hilfe innerhalb des Bürgerkriegslandes. In der vergangenen Woche hatte Amos erklärt, dass in 2015 insgesamt 7,2 Milliarden US-Dollar für die Opfer des Bürgerkriegs benötigt würden. Das Geld werde für humanitäre Einsätze in Syrien und zur Unterstützung der Nachbarstaaten benötigt.
Infrastruktur, Sozial- und Bildungssysteme überlastet
Die UN-Hilfswerke bezeichnen die Lage in Syrien und den Nachbarstaaten als die schlimmste humanitäre Krise weltweit. Ihren Angaben zufolge sind knapp elf Millionen Menschen wegen der andauernden Kämpfe auf Hilfen angewiesen. Mehr als die Hälfte von ihnen seien Kinder. Über drei Millionen Syrer sind vor der Gewalt ins Ausland geflohen. Die meisten von ihnen haben in den Nachbarstaaten Libanon, Jordanien, Türkei und Irak Zuflucht gesucht. Infrastruktur, Sozial- und Bildungssysteme in diesen Ländern sind durch die Bürgerkriegsopfer überlastet. Im Libanon und in Jordanien stellen die Menschen aus Syrien mittlerweile einen erheblichen Teil der Bevölkerung. Die sich zuspitzende Flüchtlingskrise führt zu Spannungen in den Aufnahmeländern.
UN-Flüchtlingskommissar Guterres hatte vergangene Woche in Genf gesagt, Schutz für die gefährdeten Menschen, die vor Krieg flüchten, sei lebensrettend. "Aber", so Guterres weiter, "es ist auch wichtig, Solidarität mit den Nachbarländern, die Millionen von Syrern aufgenommen haben, zu zeigen." Deutschland hatte bei der Konferenz im Oktober für das laufende Jahr weitere 140 Millionen Euro und für die Jahre 2015 bis 2017 weitere 500 Millionen Euro aus Mitteln des Entwicklungs- und des Außenministeriums zugesagt.
Das Treffen im Auswärtigen Amt in Berlin ist keine Geberkonferenz, bei der Staaten Hilfszusagen machen. Vielmehr soll eine Bedarfsanalyse für die kommenden ein bis zwei Jahre vorgestellt werden. Woher das Geld für die verschiedenen Maßnahmen und Projekte kommen soll, wird voraussichtlich Anfang 2015 bei einer weiteren Konferenz beraten werden.