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Neue Kampagne gegen Missbrauch

Kay-Alexander Scholz10. Januar 2013

Prävention sei eine der Waffen gegen Kindesmissbrauch in Deutschland. Deshalb möchte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung nun mit prominenter Hilfe das Land mobilisieren.

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Johannes-Wilhelm Rörig und Dani Levy in Berlin zu Kindermissbrauch (Foto: dapd)
Deutschland Pressekonferenz Johannes-Wilhelm Rörig und Dani Levy in Berlin zu KindermissbrauchBild: dapd

"Wir wollen ein gesamtgesellschaftliches Bündnis ins Leben rufen und starten deshalb die größte Kinderschutzkampagne in Deutschland", sagte der "Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs", Johannes-Wilhelm Rörig (links im Bild), am Mittwoch (10.01.2013) vor der Presse in Berlin. Herzstück der Kampagne unter dem Titel "Kein Raum für Missbrauch" sind Spots für Fernsehen und Internet.

Erdacht wurden die Spots von Dani Levy (rechts im Bild), einem Berliner Regisseur, der mit Beziehungskomödien wie "Alles auf Zucker" berühmt wurde und bisher wenig mit ernsten Themen gearbeitet hat. Auch die Spots sind weniger düster, als man vielleicht erwarten würde. "Wir wollten keine klischeehaften Bilder wie zum Beispiel leere Schaukeln verwenden, sondern das Thema inhaltlich neu aufbauen", erklärte Levy sein Konzept. "Wir wollen frontal, positiv und hell in die Geschichte gehen, keine gebückte Haltung einnehmen, sondern nach vorne schauen."

Gefährdete Lebensräume zeigen

Die beiden Spots, 30 und 45 Sekunden lang, zeigen typische Alltagssituationen von Kindern in der Kita, der Schule, beim Sport, in der Kirche, in Kliniken oder beim Nachhilfeunterricht. "Wir zeigen die gefährdeten Lebensräume, die wir schützen müssen", sagte Levy.

Die Spots enden mit einem Appell, sich an der Kampagne der Bundesregierung zu beteiligen. Möglich ist das auch durch das Tragen eines weißen "X". Das ist eine kleine Anstecknadel, die zum Beispiel ähnlich der roten Aids-Schleife am Jacken-Reviers getragen werden kann. Die Farbe Weiß soll für die Verletzbarkeit der Kinder stehen. Das "X" soll Sicherheit und Schutz symbolisieren, andererseits aber auch Warnsignal sein.

Einige Fernsehsender in Deutschland haben bereits zugesagt, die Spots kostenlos auszustrahlen. Die öffentlich-rechtliche ARD wolle aber zunächst abwarten, wie sich die Kampagne entwickelt, hieß es. Deshalb werden die Spots von der ARD nicht im Haupt-, sondern nur in den Regionalprogrammen ausgestrahlt.

"Kein Raum für Missbrauch"

Aufklären und informieren sollen auch Straßenplakate sowie insgesamt zehn Informationsblätter für Eltern und Fachkräfte, aber auch für Kinder selber. In comicartiger Aufmachung können sich die Heranwachsenden über ihre Rechte informieren. "Dein Körper gehört dir" oder "Du hast das Recht, Nein zu sagen" - darauf sollen die Kinder hingewiesen werden.

Logo der Kampagne "Kein Raum für Missbrauch"

Eltern können mit einer vorgefertigten Postkarte bei Schulen oder Vereinen nachfragen, ob es schon Schutzkonzepte gegen Kindesmissbrauch gibt. Fachkräfte werden über Fortbildungen informiert. Im Internet gibt es eine zentrale Anlaufstelle unter "www.kein-raum-fuer-missbrauch.de". Hier können auch die Spots angeschaut werden.

Kein Geld von den Kirchen

Die flächendeckende Einführung von Schutzkonzepten für Kinder sei eines von drei Zielen der Kampagne, so Rörig. Er möchte darüber hinaus eine stärkere gesamtgesellschaflliche Sensibilisierung für das Thema, um den "Schatten der Ahnungslosigkeit zu erhellen". Und drittens soll das Reden über Kindesmissbrauch erleichtert werden. Auf Elternabenden, berichtete Dani Levy, selber Vater zweier Kinder, werde das Thema noch immer tabuisiert. Deshalb sei es nötig, dass "die Politik breiter vorgeht".

"Prävention fällt nicht vom Himmel", fasste Rörig seine Motivation für die Kampagne zusammen. Er habe sich im Vorfeld erfolgreich in vielen Vereinen und bei Politikern Unterstützer gesucht. Auch die evangelische und katholische Kirche in Deutschland hätten zugesagt, sich an der Kampagne beteiligen zu wollen, ohne allerdings Geld beizusteuern.

Rückschlag für öffentliche Auseinandersetzung

An Einrichtungen beider Kirchen waren im Jahr 2010 dutzende Fälle von Kindesmissbrauch bekannt geworden. Seitdem wird in Deutschland viel über solche Straftaten gesprochen. Die Bundesregierung hat einige Maßnahmen wie einen Runden Tisch und eine Opferhotline eingerichtet. Konkrete Verschärfungen des Strafrechts oder bessere Entschädigungen für Opfer wurden noch nicht beschlossen.

Einen Rückschlag in der öffentlichen Aufarbeitung des Themas gab es Anfang der Woche. Die Katholische Kirche gab bekannt, sich vorzeitig aus einem von zwei zentralen Forschungsprojekten zurückzuziehen, weil eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer nicht mehr möglich sei. Pfeiffer wiederum sprach von Zensur und Behinderung seiner Arbeit. Das vor zwei Jahren begonnene Projekt sollte sexuelle Gewalt durch Priester umfassend aufarbeiten und dabei auch viele Akten vergangener Jahrzehnte nutzen.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Rörig, hofft nun, dass dieser Vorfall keine negativen Auswirkungen auf seine Kampagne haben werde. Er wisse aber, dass dies "kein gutes Signal für die Betroffenen ist" und appellierte deshalb an die Kirche, "das Projekt fortzuführen und eine gute Lösung zu präsentieren".

Unterdessen gab die Deutsche Bischofskonferenz bekannt, rechtlich gegen die Zensurvorwürfe vorgehen zu wollen. Pfeiffer sei aufgefordert worden, nicht mehr von Zensur in der Kirche zu sprechen, weil dies schlichtweg falsch sei.