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Die 100-Minuten Mission

Cornelia Borrmann11. Februar 2015

Nur zwei Stunden dauert der Flug des Intermediate Experimental Vehicle IXV. Die kurze Mission ist ein wichtiger Schritt für die ESA. Sie soll Europas Raumfahrt neue Fähigkeiten verschaffen.

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Raumfahrzeug "IXV" (Foto: dpa).
Bild: ESA/J.Huart

In den vergangenen Jahrzehnten haben die Europäer enorme Erfolge bei der Erkundung des Weltraums erzielt. Mit ihren Raumsonden können sie zum Beispiel ferne Himmelskörper anfliegen - wie den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko.

2005 gelang ihnen die erste Landung im äußeren Sonnensystem auf dem geheimnisvollen Saturn-Mond Titan. Technische Meisterleistungen, die Raumfahrtgeschichte geschrieben haben. Doch eines können die Europäer bis heute nicht: Nutzlasten oder gar Astronauten wohlbehalten zurück zur Erde bringen.

Wenn Minuten Ewigkeiten dauern

Der Wieder-Eintritt in die Erdatmosphäre ist ein anspruchsvolles und riskantes Manöver. Einer der Momente, in denen Techniker und Ingenieure in den Kontrollzentren die Luft anhalten - und erst mal abwarten müssen, bis sich das Raumschiff meldet und der Funkkontakt wieder hergestellt ist. Der reißt beim Eintritt in die Lufthülle ab. Denn das heiße Plasma, das sich dabei um das Raumschiff bildet, unterbricht jede Funkverbindung.

Illustration zum Wiedereintritt in die Erdatmospähre des Intermediate Experimental Vehicle IXV (Foto: dpa).
Von rechts nach links: So soll der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre laufenBild: Jacky Huart/ESA/dpa

Europas Intermediate Experimental Vehicle soll mit mehr als zwanzigfacher Schallgeschwindigkeit in die Lufthülle eintauchen und neue Schlüsseltechnologien testen - Grundlagenforschung für eine sichere, unabhängige Rückkehr zur Erde.

Forschung im freien Fall

Dazu muss die Trägerrakete Vega, Europas Leichtgewicht, das rund zwei Tonnen schwere und unbemannte Raumfahrzeug in eine suborbitale Erdumlaufbahn bringen. Aus einer Höhe von 450 Kilometern wird das IXV dann Richtung Boden stürzen. So soll der Wiedereintritt aus einer niedrigen Umlaufbahn simuliert werden.

"Wir wollen mit mehr als 300 Temperatur- und Drucksensoren alle Parameter messen, die nötig sind, um das aero-thermo-dynamische Verhalten des Raumfahrzeugs während des Hyperschallflugs zu validieren." erklärt Stephane Dussy, ESA IXV-Avionikingenieur, die Mission. "Zudem wollen wir die Funktion der hochentwickelten Thermalschutzsysteme überprüfen, die aus Spezialkeramik und wärmeabsorbierenden Materialien bestehen."

Und nicht zuletzt werden Lageregelungs-, Navigations- und Kontrollsysteme überprüft, die das automatische Raumfahrzeug während seiner Reise steuern sollen. Ein Flug, der durch die aerodynamische Form des Raumfahrzeugs ruhig verlaufen sollte.

Einfach genial

"Das IXV hat die Einfachheit einer Raumkapsel, aber ohne deren Nachteile", schwärmt der Italiener Georgio Tumino, ESA IXV-Programmanager. "Und es verhält sich ähnlich wie ein geflügeltes Raumfahrzeug. Das gibt ihm die Fähigkeit zum Manövrieren, zum Lenken und zur Punktlandung."

Space Plane IXV (Foto: dpa).
So sieht der Weltraumflieger IXV aus: Fünf Meter lang, zwei Tonnen schwerBild: picture-alliance/epa/B.Czerwinski

Das automatische Raumfahrzeug muss die Erdatmosphäre in einem ganz bestimmten Winkel durchqueren, um die enormen Drücke und Reibungen unbeschadet zu überstehen.

Dazu haben die Konstrukteure das IXV als sogenannten Lifting Body konzipiert. Ingenieure sprechen auch von Auftriebskörpern. Sie sind so aufgebaut, dass es keine klare Trennung gibt in Tragflügel und Rumpf. Diese besondere Formgestaltung führt zu einer Wechselwirkung mit der Atmosphäre.

Während das Raumfahrzeug wieder in die Lufthülle eintritt, erzeugt es einen Auftrieb. Und dieser Auftrieb macht es steuerbar. So lässt sich das automatische Raumfahrzeug IXV punktgenau zurückholen. Während kugelförmige Raumtransporter wie die russischen Sojus-Kapseln dort landen, wo sie gerade herunter fallen. Bei ungünstigen Windverhältnissen kann das auch Hunderte Kilometer vom Zielort entfernt sein.

Landetraining

Das Intermediate Experimental Vehicle soll am Ende seiner Mission - von Fallschirmen nach und nach abgebremst - sanft auf dem Wasser aufsetzen. Die weiche Landung hat die ESA im vergangenen Jahr schon mal im Mittelmeer vor der Küste Sardiniens geprobt. Mit einem Demonstrator. Den hat ein Helikopter 3000 Meter in die Höhe gehievt und dann ausgeklinkt.

Nach einer Flugphase im freien Fall bremste ein Fallschirm den Demonstrator ab, sodass er mit sieben Metern pro Sekunde sanft seinen Testflug beenden konnte. Bei dieser Mission wurden alle Schritte geprobt - vom Entfalten des Haupt-Bremsschirms über das Aufsetzen auf der Wasseroberfläche bis hin zur Bergung.

Dabei musste der Demonstrator unterschiedliche Manöver bewältigen, wie das Abtrennen der Schutzvorrichtung für die Schwimmkörper. Er musste die Rettungsballons aufblasen und nach der Landung den Fallschirm kappen, damit sich das Bergungsteam nicht darin verheddert.

Nur ein einziges Manöver verlief nicht wie geplant: das Aufblasen der Ballons. Kein Grund zur Sorge. Diese "Panne" hatte einen positiven Hintergrund. Der Demonstrator glitt so ruhig Richtung Wasseroberfläche, dass er zu sanft landete. Und die Sensoren, die beim Aufsetzen das Aufblasen der Ballons auslösen sollten, nichts registrierten. Der Fallschirm hatte einfach zu gute Arbeit geleistet.

Atmospheric Re-entry Demonstrator ARD (Foto: dpa).
Der kapselförmige Vorgänger: Atmospheric Reentry Demonstrator ARDBild: ESA - D.Ducros

Beim jetzt anstehenden Flug soll das IXV die komplette Rückkehr zur Erde absolvieren. Die gesammelten Daten wollen die Ingenieure dann mit den Erkenntnissen verknüpfen, die sie bei der Vorgänger-Mission gesammelt haben - beim Testflug des Atmospheric Reentry Demonstrator ARD.

Erste Schritte zurück zur Erde

Das kapselförmige Raumfahrzeug startete 1998 an Bord des Europäischen Schwerlasters Ariane 5 zu seiner Mission. Während der Demonstrator Richtung Erde stürzte und deren Atmosphäre durchquerte hatte er mehr als 200 wichtige Parameter aufgezeichnet und auch Daten übertragen.

Damit konnten Techniker und Ingenieure dann den gesamten Flug analysieren. Und untersuchen: Wie hätten Nutzlasten im Inneren des Demonstrators die Rückkehr zur Erde überstanden? Denn die Daten haben zum Beispiel gezeigt: Wie hoch sind die Temperaturen, die in den unterschiedlichen Bereichen des Demonstrators entstehen, etwa am Boden oder auf der Oberseite?

Zu neuen Horizonten

Die ersten Ergebnisse der IXV-Mission werden rund sechs Wochen nach dem Start veröffentlicht. Die Auswertung der Flugdaten soll die Entwicklung des wiederverwendbaren Raumfahrzeugs PRIDE beflügeln. Das ehrgeizige Programm hat vom ESA-Ministerrat schon grünes Licht bekommen.

Der künftige Raumtransporter soll mit der kleinen Vega-Rakete ins All abheben und automatisch auf einer Landebahn wieder aufsetzen können.

Ein solches Fahrzeug eröffnet der Europäischen Raumfahrt ganz neue Möglichkeiten. Und es macht sie unabhängiger von Russen und Amerikanern.

Lang gehegte Träume, wie Proben vom Mars oder auch von Asteroiden zur Erde zu holen, rückt es in greifbare Nähe. Techniker wollen es auch nutzen, um künftige Satelliten im Erdorbit wieder aufzutanken.