Hoffen auf Wandel
29. Mai 2008Die Royalisten, die sich dagegen wehren, dass König Gyanendra eine Frist von 15 Tagen bleibt, seinen Palast zu räumen, sind nur noch eine verschwindende Minderheit. Und die königliche Familie ist gewissermaßen selber schuld an dem Schlamassel. Die Shah-Dynastie hat sich mit dem "Palast-Massaker" von 2001 den entscheidenden Schlag versetzt; damals wurde König Birendra gemeinsam mit seiner halben Familie von Kronprinz Dipendra getötet. Und Gyanendras unpopulärer Versuch, 2005 durch mit einem Staatsstreich 2005 wieder autokratisch zu regieren, besiegelte das Schicksal der Monarchie dann endgültig.
Nach dem Feiern kommt der Alltag
Die große Frage lautet jetzt: Wie geht es weiter? Wer regiert die neue Republik, und wie wird sie aussehen? Nepals Wähler haben am 10. April zur großen Überraschung vieler die Maoisten zur stärksten Partei gemacht. Aber sie haben keine absolute Mehrheit in der Verfassunggebenden Versammlung und sind von der für die Wahl der neuen Regierung nötigen Zweidrittelmehrheit weit entfernt.
Maoisten-Chef Prachanda ist es bisher nicht gelungen, eine Koalition zusammenzubringen. Immerhin haben die drei großen Parteien sich anscheinend auf ein paar Eckpunkte verständigt. Es wird einen starken Premierminister geben, vermutlich Prachanda selbst, und einen Präsidenten mit weitgehend zeremonieller Funktion – das könnte der bisherige Premier und Veteran der Kongress-Partei G. P. Koirala werden. Aber die Machtverteilung ist immer noch nicht endgültig geklärt. Das Tauziehen hinter verschlossenen Türen um Posten und Machtbefugnisse hat am Mittwoch die historische Sitzung der Verfassunggebenden Versammlung um mehr als zehn Stunden aufgehalten: Kein gutes Omen wahrlich für die künftige Kooperation zwischen den Parteien.
Ein Wolf im Schafspelz?
Wenn sie die anderen Parteien überzeugen wollen, in eine von ihnen geführte Regierung einzutreten, müssen die Maoisten erst noch demonstrieren, dass sie sich wirklich an die demokratischen Spielregeln halten. Haben sie der Gewalt endgültig abgeschworen? Viele in Nepal bezweifeln das. Tausende Ex-Rebellen sitzen noch immer in Lagern. Die Menschen haben Angst vor den Übergriffen der berüchtigten Jugendorganisation der Partei. Nur zwei Beispiele aus den letzten Tagen: Am Mittwoch wurden drei Menschen im Westen des Landes von der Polizei erschossen, als sie gegen Angriffe von Maoisten auf einen örtlichen Journalisten demonstrierten. In der vergangenen Woche wurde ein Geschäftsmann tot aufgefunden, den Maoisten in einem ihrer Lager zu Tode gefoltert hatten.
Andererseits würden auch die etablierten Parteien – die gemäßigt konservative Kongress-Partei und die trotz ihres Namens eher sozialdemokratischen "Vereinten Marxisten-Leninisten" – gut daran tun, ihre Lektion aus den Wahlen zu ziehen. Der Sieg der Maoisten mag zwar zum Teil auf eine gewisse Einschüchterung der Wähler zurückzuführen sein, aber in erster Linie ist er ein Ausdruck weit verbreiteter Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die traditionellen Parteien und ihre bisherige Regierungsbilanz.
Neue Machtverhältnisse
Die Nepalis erwarten eine bessere Regierungsführung mit weniger Korruption und weniger Rangeleien zwischen den Parteien um Posten; sie haben aber auch für eine Umverteilung von Macht und Ressourcen gestimmt. Während Nepal jahrhundertelang von einer kleinen Elite hochkastige Männer aus dem Kathmandu-Tal beherrscht wurde, repräsentiert die neue Verfassunggebende Versammlung nun auch die bislang unterprivilegierten Teile der Gesellschaft.
Dabei hatten nicht nur die Maoisten viele Kandidaten aus unteren sozialen Schichten und ethnischen Minoritäten aufgestellt. Auch regionale Parteien haben gut abgeschnitten, besonders in der an Indien angrenzenden Ebene, dem so genannten Madhes.
Steiniger Weg
Die Forderungen der neuen politischen Kräfte werden von der Verfassunggebenden Versammlung berücksichtigt werden müssen – und das dürfte nicht reibungslos ablaufen. Ein Beispiel: Nepal ist nun eine föderale Republik, das heißt, gewisse Befugnisse werden an die Regionen gehen. Aber werden das die großen Provinzen sein, die praktisch alles selber entscheiden können, wie es den Madhesi-Politikern am liebsten wäre? Oder werden die nationalen Parteien es schaffen, eine starke Zentralregierung zu bewahren? Konflikte sind vorprogrammiert.
Dennoch gibt es genug Gründe, optimistisch in die Zukunft zu blicken und zu feiern: Der Bürgerkrieg, in dem mehr als 13.000 Menschen ihr Leben ließen, scheint endgültig zu Ende zu sein. Der Verfassungsprozess bietet eine einmalige Gelegenheit für einen demokratischen Neuanfang. Und unabhängige Medien und eine selbstbewusste Zivilgesellschaft werden die Politiker unablässig an ihre Verantwortung erinnern.