Namibia: Wildtiere schlachten gegen den Wassermangel
29. August 2024Namibia, Ende August. Die Sonne brennt von einem wolkenlosen Himmel, die Temperaturen klettern bis auf 35 Grad. Dabei ist auf der Südhalbkugel der Erde derzeit eigentlich tiefster Winter. Und auch geregnet hat es in dem Land im äußersten Südwesten Afrikas seit Monaten so gut wie gar nicht. Das südliche Afrika wird derzeit von einer beispiellosen Dürre heimgesucht. Experten führen die extreme Trockenperiode auf das Wetterphänomen El Niño zurück, das in diesem Jahr besonders stark ausgeprägt sei. Nicht nur in Namibia, auch in Sambia, Simbabwe oder Malawi wurde aufgrund der anhaltenden Trockenheit bereits vor Monaten der Notstand ausgerufen.
Nun hat die Regierung in Namibias Hauptstadt Windhuk einen besonders umstrittenen Beschluss gefasst: Um der Landbevölkerung zu helfen, will sie mehr als 700 Wildtiere zum Abschuss freigeben, die eigentlich in den Nationalparks des Landes einen besonderen Schutzstatus genießen sollten. Dazu gehören Elefanten, Antilopen, Büffel, Zebras und Gnus, die zum größten Teil von professionellen Jägern erlegt werden sollen. Das Umweltministerium des Landes hatte diesen Plan bereits am Montag bekanntgegeben. Rund die Hälfte der Bevölkerung Namibias, etwa 1,4 Millionen Menschen, seien laut dem Ministerium akut durch Nahrungs- und Wassermangel gefährdet.
Namibias Regierung hat einen Plan
Namibias Regierung setzt auf die drastischen Maßnahmen, um die Folgen der Dürre zu mindern. Zum einen, so ein Sprecher des Ministeriums, drohten wegen des akuten Wassermangels in vielen Regionen Namibias zahlreiche Wildtiere zu verdursten. Durch den Abschuss einer festgesetzten Zahl an Tieren erspare man diesen einen qualvollen Tod - und erhöhe gleichzeitig die Überlebenschancen der anderen.
Außerdem habe die Wasser- und Nahrungsknappheit dazu geführt, dass Konflikte zwischen Mensch und Tier zugenommen hätten. Tiere auf der Suche nach Wasser drängten zunehmend in menschliche Siedlungsgebiete vor und brächten die dortige Bevölkerung in Gefahr.
Und drittens sei geplant, das Fleisch der getöteten Wildtiere der hungernden Landbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Namibias Behörden haben damit bereits begonnen. Über 150 Tiere seien bereits erlegt worden. Gut 57 Tonnen Fleisch sollen bereits in Dörfern verteilt worden sein, die in unmittelbarer Nähe zu den betroffenen Schutzgebieten liegen.
Tierschützer fordern Alternativen
Das Vorhaben sorgt bei Tierschutzorganisationen für Empörung. Die Organisation Elephant-Human Relations Aid (EHRA), die sich für ein friedliches Zusammenleben zwischen Elefanten und Menschen einsetzt, spricht von der "größten Massenkeulung wilder Tiere in der Geschichte Namibias". Sie hat eine Petition gestartet, die die Regierung auffordert, das Vorhaben zu stoppen und alternative Lösungen zu erarbeiten. Darin heißt es, das Ministerium habe nicht ausreichend geprüft, wie groß die Auswirkungen auf Wirtschaft und Tourismus in Namibia seien.
Zudem wirft EHRA der Regierung vor, sie lasse zu, dass Trophäensammler einige der Tiere gegen Geld schössen. Dies hat das namibische Umweltministerium mittlerweile zwar bestätigt. Es hebt aber auch hervor, dass das dadurch eingenommene Geld - umgerechnet rund 500.000 Euro - dazu genutzt werden soll, die Wasserversorgung in den Nationalparks zu verbessern.
Der Wahlkampf und die Landbevölkerung
Weiterhin, so EHRA, sei es falsch, zu behaupten, dass Wildtiere wie Elefanten und Giraffen mit den Rindern und Ziegen der umliegenden Bevölkerung um Wasser konkurrierten. Deren Haltung sei innerhalb der Grenzen der Nationalparks gar nicht erlaubt, dementsprechend gebe es auch keinen Ressourcenkampf zwischen Wild- und Nutztieren.
EHRA vermutet hinter dem Regierungsvorhaben ganz andere Motive: "Dies ist ein Wahljahr in Namibia", schreibt die Organisation in ihrer Petition, "und die regierende SWAPO-Partei steht vor einer zunehmenden Ablehnung bei den Wählern." EHRA zufolge habe die SWAPO ihre Hochburgen vor allem in den ländlichen Siedlungsgebieten, die jetzt von der Verteilung des Wildtierfleisches am meisten profitieren sollen. Die Organisation vermutet, dass die Regierungspartei vor den Wahlen am 29. November vor allem darauf bedacht ist, ihren Unterstützern ein Wahlgeschenk zu machen. EHRA drängt deshalb darauf, alternative Lösungen zu finden, von denen alle profitierten - "einschließlich Namibias Wildtiere".
Das Umweltministerium zitiert die Verfassung
Das namibische Umweltministerium veröffentlichte am Mittwoch eine neue Stellungnahme, in der es die Maßnahme verteidigte: Sie sei notwendig und stehe "im Einklang mit unserem verfassungsmäßigen Auftrag, unsere natürlichen Ressourcen zum Wohle der namibischen Bürger zu nutzen. Wir freuen uns, dass wir dem Land in dieser sehr schwierigen Zeit helfen können, wenn es absolut notwendig ist."
Weiter berichtete das Ministerium, dass bereits ein Mensch durch nach Wasser suchende Elefanten ums Leben gekommen sei. Die Menschen sollten "in gefährdeten Gebieten" vorsichtshalber nicht "nachts in der Wildnis spazierengehen".