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Pizza, Döner & Co.: Fremdes Essen auf deutschen Tischen

Birgit Görtz1. April 2014

Die Gastarbeiterküche hat in Deutschland eine beachtliche Karriere hingelegt. Pizza, Döner oder Cevapcici - das einst Exotische ist massentauglich geworden, sagt Buchautorin Maren Möhring im DW-Interview.

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Maren Möhring
Bild: privat

Die Potsdamer Kulturwissenschaftlerin Maren Möhring hat die Geschichte der ausländischen Gastronomie in Deutschland erforscht. Ihr Fazit: Migration geht durch den Magen.

Deutsche Welle: Sie sind 1970 geboren. Was ist Ihre erste Erinnerung an ein Restaurant mit fremdländischer Küche?

Maren Möhring: Ich komme aus Bremen. Dort gab es gegenüber von dem Kinderladen, in den ich ging, ein italienisches Eiscafé. Am liebsten habe ich dort Malaga-Eis gegessen. Dass darin in Rum getränkte Rosinen waren, die für Kinder nicht so geeignet sind, darüber hat sich damals keiner Gedanken gemacht.

Sie haben systematisch untersucht, wie und wann ausländische Gastronomen nach Deutschland kamen und die hiesigen Essgewohnheiten veränderten. Wie sind Sie vorgegangen?

Ich habe mir vier Großstädte angeschaut - Berlin, Hamburg, München, Köln – und weitere kleinere Städte. Dort habe ich Adressbücher, Telefonbücher, Gewerbeanträge und die sogenannten "Bulettenscheine" angeschaut. Nach 1970 musste man eine eintägige Unterweisung bei der Industrie- und Handelskammern machen - in Lebensmittelrecht und Hygienevorschriften. Das wurde im Volksmund "Bulettenschein" genannt, hieß aber eigentlich "Unterrichtungsnachweis im Gaststättenwesen".

Sie hat interessiert, inwiefern man anhand der Essgewohnheiten ablesen kann, dass Deutschland zu einem Einwanderungsland wurde?

Die Restaurants waren wichtige Orte, an denen man sich bewusst machte, in einem Einwanderungsland zu leben. Die internationalen Imbisse, Restaurants und Lebensmittelgeschäfte haben die Städte verwandelt, und es sehr augenfällig gemacht, dass wir in einem Einwanderungsland leben. Es hat aber sehr lange gedauert, ehe sich das durchgesetzt hat.

In der Gastronomiebranche haben Migranten einen sehr hohen Anteil. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, weil Einwanderer in der Gastronomie lukrative Nischen finden. Aber dort sind sie überrepräsentiert. Was sagt das aber aus für die Akzeptanz von Migranten insgesamt? Da kann man keinen Zusammenhang herstellen, weil viele Leute gerne ausländisch essen gingen - aber mit der türkischen Familie in einem Haus zu wohnen, war dann lange Zeit eine andere Sache.

Ausländer als Gastronomen, nicht als Nachbarn

Man ging also türkisch gerne essen, machte dann aber gerne vor den Türken die Türe zu?

Oder noch zugespitzter: Als die ersten Italiener kamen, gab es viele Beschwerden, dass es im Treppenhaus immer so nach Knoblauch stinken würde. Der Besuch in einem fremdländischen Restaurant hatte etwas Exotisches, es war wie eine kleine Reise in das fremde Land. Aber wenn die Fremden zu nah an das eigene Haus herankamen, war das ein Problem.

Ich stelle mir eine deutsche Kleinstadt in den 1950er Jahren vor: ein italienisches Restaurant, an den Wänden Fischernetze, Kellner mit südländischem Charme. Die Deutschen liebten Italien und das färbte auf die Gastronomie ab. Kann man das so sagen?

Damals war die Italienbegeisterung unheimlich groß. Immer mehr Menschen konnten sich leisten, dorthin zu reisen. Italien war der Sehnsuchtsort der 1950er Jahre. Im Land des Wirtschaftswunders suchten die Deutschen nach etwas anderem, nach Dolce Vita. Die Italiener galten als Gegenstück zu den Deutschen.

Capricciosa, Raznici, Souflaki und Peking-Ente

In Ihrem Buch schildern sie, wie in den 1950 zuerst die Italiener und die Balkangrills kamen, später die griechischen Tavernen und Ende der 1970er die Chinesen.

Die Balkangrills eröffneten schon direkt nach dem Krieg, weil einige ehemalige Zwangsarbeiter nach dem Krieg blieben oder nach der Machtübernahme von Marschall Tito in Jugoslawien geflüchtet waren. Insofern waren Balkangrills und Italiener die ersten. Ende der 1970er kommen Griechen hinzu, dann die Türken. Was die Chinesen anbelangt, gab es in Hamburg und Berlin ja schon in der Zwischenkriegszeit chinesische Restaurants. In den 1960er Jahren kam dann der große Boom. Die chinesische Gastronomie war also die erste außereuropäische Gastronomie, die in Deutschland Fuss fassen konnte.

In der DDR war hingegen das Exotischste, was man finden konnte, die Soljanka. Doch das hat sich nach 1989 angeglichen.

Vor der Wende gab es in der DDR osteuropäische Küchen. In Ost-Berlin gab es die Restaurants "Budapest" und "Warschau", ihnen lagen Städtekooperationen zugrunde, die auf offizieller Ebene installiert wurden. Es handelte sich um einen auf staatlicher Ebene organisierten Austausch.

Heute hat es sich angeglichen. Eine Spezialität des Ostens sind die ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter, die sich mit asiatischen Restaurants und Imbissen selbständig gemacht haben. In Westdeutschland gibt es nur wenig afrikanische Küche, im Osten aber gar nicht.

Der Döner als Re-Import

Das Fastfoodsegment teilen sich im wesentlichen Döner-Imbisse und US-Ketten.

Schon, wobei es immer mehr Falafel und asiatische Imbisse gibt. Die US-Fastfoodketten haben sich in den 1970er Jahren ausgebreitet. Seit damals sehen wir zwei Trends: die Ausdifferenzierung nach Länder-Küchen und die "McDonaldisierung". Der erste deutsche McDonalds hat 1971 in München aufgemacht. Der Dönerimbiss kommt Mitte der 1970er Jahren in Berlin auf. In den späteren 1980er Jahren sehen wir ihn auch in kleineren Städten. Nach der Wende kommt es dann zu einem wahnsinnigen Aufschwung.

Läßt sich denn auch ablesen, ob die Essgewohnheiten der Deutschen die Küche der Migranten verändert hat? Möglicherweise sogar bis hinein in deren Heimat?

Das können wir in der Türkei sehen. Dort kann man inzwischen Döner kaufen, wie wir ihn in Deutschland kennen, denn der ist so in der Türkei nicht üblich, wird nicht mit soviel Sauce gereicht. Aber deutsche Touristen und Deutsch-Türken essen auch in der Türkei gerne den ihnen bekannten Döner. Daher haben gerade in den Touristenregionen viele Imbisse aufgemacht, die den Döner so anbieten, wie er auch in Berlin verkauft wird.

Maren Möhring: Fremdes Essen. Die Geschichte der ausländischen Gastronomie in der Bundesrepublik Deutschland. Oldenbourg Verlag, München 2013