Mwai Kibaki: Reformer für Kenia
22. April 2022Sein Leben ist die Geschichte einer außergewöhnlichen politischen Karriere: Mehr als fünfzig Jahre lang stand Mwai Kibaki in den Diensten Kenias. Zum krönenden Schlusspunkt, von Dezember 2002 bis März 2013, war Kibaki Präsident des ostafrikanischen Landes. Eine Karriere, die ihm nicht in die Wiege gelegt wurde. Geboren am 15. November 1931 im Dorf Gatuyaini in Kenias zentraler Nyeri-Provinz, verbrachte Mwai Kibaki seine frühe Kindheit als Hüter der Schafe und Kühe seines Vaters.
Der Überlieferung zufolge war es sein Schwager Paul Muruthi, der schließlich darauf bestand, der Junge solle in die Schule gehen. Das sollte sich als kluge Entscheidung herausstellen: Mwai Kibaki schloss seine Schulbildung mit Bestnoten an der renommierten Mang'u High School ab und bekam zum Lohn ein Stipendium für die international angesehene Makerere-Universität in Uganda.
Steile Karriere
Sein Studium der Wirtschafts-, Geschichts- und Politikwissenschaften beendete er 1955 mit Auszeichnung und tat sich auch in verschiedenen Studentenverbänden hervor. Nach weiteren Studien bei der London School of Economics kehrte Kibaki für einen Lehrauftrag nach Makerere zurück, bevor es ihn 1960 zurück in die Heimat zog: Die Partei des Afrikanischen Nationalismus in Kenia (KANU), die Kenia in die Unabhängigkeit führen sollte, hatte gebildete Mitstreiter nötig.
Schon 1963 konnte sich Kibaki einen Platz im Parlament sichern. Für die KANU gewann er einen Wahlkreis in Nairobi. Dank seines ökonomischen Fachwissens wurde er noch im gleichen Jahr zum parlamentarischen Sekretär des Finanzministers ernannt. Keine drei Jahre vergingen, bevor der erste Präsident Jomo Kenyatta ihn in sein Kabinett berief. Zunächst als Handels- und Industrieminister, 1969 folgte dann das wichtige Amt des Finanzministers, das Kibaki ein gutes Jahrzehnt behalten sollte.
Der Weg an die Macht
Daniel arap Moi, der 1978 nach dem Tod Kenyattas die Präsidentschaft übernahm, machte Kibaki zu seinem Stellvertreter. Doch Mois Liebe zur Macht, gepaart mit massiver Unterdrückung politischer Gegner, belasteten das Land zunehmend. Als Kenia sich 1991 für das Mehrparteiensystem öffnete, zögerte Kibaki nicht, aus dem Schatten seines Präsidenten zu treten, und gründete noch im gleichen Jahr die Demokratische Partei (DP). Bei den darauffolgenden Wahlen schnitt die Partei gut ab, wurde 1992 drittstärkste und 1997 zweitstärkste Kraft im Parlament.
Bei den Wahlen 2002 sollte es noch besser laufen. Unter Kibakis Führung bildete sich die Nationale Regenbogenkoalition, ein Bündnis aus 15 unabhängigen Parteien. Der bisherige Langzeit-Präsident Moi baute den unerfahrenenen Uhuru Kenyatta, Sohn des Unabhängigkeitspräsidenten, als politischen Erben auf. Das missfiel jedoch vielen und brachte der Oppositionsbewegung weiteren Zulauf. Kibaki griff den Wunsch der Bevölkerung nach einem politischen Wechsel auf, versprach, die Wirtschaft anzukurbeln und die Korruption zu bekämpfen. Er zeigte sich überzeugt: "Wenn wir die Korruption nicht bekämpfen, können wir keine Investoren ins Land locken". Mit einer deutlichen Mehrheit von 62,2 Prozent wählten die Kenianer ihn zum Präsidenten. Das Anti-Korruptions-Projekt indes sollte kläglich scheitern.
Kenias größte Krise
Schon kurz nach der Wahl machten sich Konflikte in dem Bündnis bemerkbar. Der Streit eskalierte um den Entwurf einer neuen Verfassung - eines von Kibakis Kernthemen. Entgegen vorheriger Zusagen Kibakis sah der Entwurf einen starken Präsidenten und einen schwachen Premierminister vor. Die Gegner des Entwurfs sammelten sich hinter Raila Odinga und erreichten in einem Referendum seine Ablehnung. Odinga gründete daraufhin das Orange Democratic Movement (ODM) und forderte Kibaki heraus.
Als Kibaki sich nach einer denkbar knappen und umstrittenen Wahl im Dezember 2007 erneut zum Präsidenten vereidigen ließ, brachte er Odinga und dessen Anhänger gegen sich auf. "Wir können hier von einem Staatsstreich sprechen", sagte Odinga, "ermöglicht durch die Wahlkommission, die allein Kibakis Zweck diente, das Ergebnis zu verfälschen."
Es folgte eine Welle der Gewalt, bei der Kibakis Volksgruppe der Kikuyu den Ethnien der Luo und Kalenjin gegenüberstand. Auf beiden Seiten gab es hunderte Tote - insgesamt kamen in zwei Monaten mehr als 1200 Menschen ums Leben. Die Unruhen hafteten Kibakis zweiter Amtszeit an. Schritte zur Aussöhnung beider Seiten waren Odingas Ernennung zum Premierminister im April 2008 und ein weiterer Anlauf für eine neue Verfassung, die schließlich im August 2010 in Kraft trat - nachdem sich zwei Drittel der Kenianer dafür ausgesprochen hatten.
Zu Kibakis Erfolgen zählt Kenias wachsende wirtschaftliche Bedeutung - in der Region und international. Am Ende von Mois 24-jähriger Präsidentschaft war das Wirtschaftswachstum stagniert. Unter Kibaki knackte es 2004 gar die 7-Prozent-Marke und blieb durchgehend im positiven Bereich - trotz Weltwirtschaftskrise und nationaler politischer Krise. Kibakis wirtschaftlicher Hintergrund kam ihm dabei zugute. Seine Entscheidung, Steuern auch im informellen Sektor zu erheben, fand bei seinen Landsleuten besondere Beachtung. International erntete er viel Lob für seinen Vorstoß, die achtjährige Grundschule kostenlos zu machen. Noch im ersten Jahr seiner Amtszeit trat ein entsprechendes Gesetz in Kraft. Die Zahl der Grundschüler stieg dadurch bis 2010 um mehr als die Hälfte.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt wurde es ruhig um Kibaki. Auch Informationen um seinen sich verschlechternden Gesundheitszustand gelangten kaum an die Öffentlichkeit. Am Freitag verkündete Uhuru Kenyatta, der 2013 dann doch zum Präsidenten gewählt worden war, den Tod Kibakis. Er erinnerte an Kibakis Verdienste für Kenia und würdigte ihn als hingebungsvollen Familienmann, leidenschaftlichen Golfer und ehrlichen Freund vieler. "Sein Geist, sein Erbe, seine Werte und Ideale leben in uns allen weiter."