Mordanklage
22. Dezember 2006Die Staatsanwaltschaft wirft den vier wegen Mordes Beschuldigten vor, am 19. November 2005 in Haditha, 260 Kilometer westlich von Bagdad, 24 irakische Zivilisten getötet zu haben. Die Soldaten waren auf Patrouillengang, als ein Sprengsatz explodierte und einen Kameraden tötete. Anschließend sollen die Beteiligten an den Einwohnern des Ortes Rache genommen haben. Die Truppe sei von Haus zu Haus gezogen und habe wahllos Männer, Frauen und Kinder sowie fünf Insassen eines Taxis niedergeschossen.
Dem Führer der Patrouille, Unteroffizier Frank Wuterich, wird Mord in dreizehn Fällen vorgeworfen. Außerdem soll der 26-Jährige die Tötung von sechs Irakern angeordnet und Soldaten zu Falschaussagen verleitet haben. Der beschuldigte Soldat soll dabei die Anweisung gegeben haben, "erst zu schießen und dann Fragen zu stellen".
Keine Todesstrafe
Ein weiterer Unteroffizier wird wegen fünffachen Mordes angeklagt, zwei Gefreiten wird dreifacher Mord beziehungsweise zweifacher Mord und vierfache ungesetzliche Tötung vorgeworfen. Aus Sicht der Verteidigung verteidigten sich die Marines hingegen lediglich gegen aus den Häusern schießende Aufständische. Die Anwälte betonten, ihre Mandanten hätten sich so verhalten, wie sie es gelernt hätten: auf eine als Bedrohung empfundene Situation entsprechend zu reagieren. Bei einer Verurteilung drohen allen vier als Höchststrafe lebenslange Haft.
Alle der insgesamt acht beschuldigten Soldaten sind derzeit auf freiem Fuß. Weitere Anhörungen sollen folgen, bis darüber entschieden wird, ob ein ordentliches Gerichtsverfahren gegen sie eingeleitet wird.
Zweite Untersuchung noch nicht öffentlich
Das Nachrichtenmagazin "Time" hatte das Massaker im März aufgedeckt. Erst danach leitete die Armee zwei Untersuchungen ein. Die aktuellen strafrechtlichen Ermittlungen sind Ergebnis der ersten internen Untersuchung. Die Resultate der zweiten Untersuchung, die eine mögliche Vertuschung des Vorfalles durch Offiziere aufklären soll, wurden noch nicht öffentlich gemacht.
Das Blutbad in Haditha hatte das Ansehen der US-Truppen im Irak ebenso wie der Skandal um die im Gefängnis Abu Ghoreib aufgenommenen Folterfotos stark beschädigt. Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki hatte die Tötungen von Haditha als "grausames Verbrechen" verurteilt. US-Präsident George W. Bush versprach, dass jeder US-Soldat, der irakische Zivilisten nachweislich getötet habe, auch bestraft werde.
Weitere Verbrechen im Irak
Wegen Verbrechen im Irak sind bereits mehrere US-Soldaten verurteilt worden. In Camp Pendelton ist derzeit ein Verfahren wegen der Ermordung eines Irakers in Hamdania anhängig. Insgesamt acht Soldaten wird vorgeworfen, im April den 52-jährigen Haschim Ibrahim Awad aus seinem Haus gezerrt, in ein Loch geworfen und erschossen zu haben. Anschließend versuchten sie ihre Tat als Tötung eines bewaffneten Rebellen darzustellen. Auslöser soll die Frustration der Marineinfanteristen wegen ihrer vergeblichen Suche nach einem Aufständischen gewesen sein.
In Fort Campbell in Kentucky müssen sich mehrere Soldaten wegen Vergewaltigung und Ermordung eines 14-jährigen Mädchens im Irak verantworten. Ihnen wird die Verwicklung in den Überfall im März in Mahmudija vorgeworfen, bei dem die 14-Jährige vergewaltigt und anschließend zusammen mit ihren Eltern und ihrer sechsjährigen Schwester getötet wurde. Einer der insgesamt vier Angeklagten wurde bereits zu 90 Jahren Haft verurteilt. (stl)