US-Armee: Soldaten handelten "vorschriftsgemäß"
3. Juni 2006Ermittlungen der US-Streitkräfte über einen Zwischenfall in dem irakischen Dorf Ishaki, bei dem amerikanische Soldaten mehrere Zivilpersonen töteten, haben kein Fehlverhalten der Verantwortlichen ergeben. Die Behauptungen zur Exekution einer Familie und zur anschließenden Vertuschung der Tat seien "absolut falsch", sagte Pentagon-Sprecher William Caldwell am Freitag dem britischen Sender BBC.
"Der Kommandeur der Bodentruppen hat sich an die Einsatzregeln gehalten", sagte Caldwell am Freitag. Es gebe keinen Anlass zu Disziplinarmaßnahmen gegen die Truppen. Die Soldaten hätten geglaubt, in dem Gebäude halte sich ein El-Kaida-Terrorist auf und hätten Luftunterstützung angefordert. Daraufhin sei ein Kampfflugzeug vom Typ AC-130 eingesetzt worden. Die für strafrechtliche Ermittlungen zuständige Abteilung des Heeres habe das Ergebnis der Untersuchung überprüft und keinen Anlass gesehen, weitere Ermittlungen anzustrengen, sagte Caldwell.
Widersprüchliche Angaben über Vorfall
In dem Ishaki-Video, das der BBC nach eigenen Angaben von einer den Koalitionstruppen feindlich gesonnenen extremistischen Sunnitengruppe zugespielt wurde, sind tote Kinder und Erwachsene zu sehen. Nach Angaben der irakischen Polizei umzingelten die US-Soldaten am 15. März ein Haus in Ischaki etwa 100 Kilometer nördlich von Bagdad und erschossen dann die elf Menschen darin. Unter den Opfern seien fünf Kinder und vier Frauen gewesen. Schließlich hätten die US-Truppen das Gebäude gesprengt.
Rijadh Madschid, ein Verwandter der Opfer, erklärte, US-Soldaten seien mit einem Hubschrauber gelandet und hätten das Haus gestürmt. Ein weiterer Angehöriger, Ahmed Chalaf, sagte, es seien neun Mitglieder der Familie und zwei Besucher getötet worden.
Iraks Regierung hat den Bericht des US-Militärs zur Entlastung der Soldaten kritisiert. "Wir haben mehr als eine Quelle, aus der hervorgeht, dass die Tötungen in Ischaki unter fragwürdigen Umständen geschahen", sagte Adnan al-Kasimi, ein Berater von Ministerpräsident Nuri al-Maliki am Samstag. "Es wurde mehr als ein Kind getötet. Der Bericht ist gegenüber dem irakischen Volk und den getöteten Kindern nicht fair."
Offiziere wussten früh Bescheid
Die US-Armee steht bereits wegen der Affäre um das mutmaßliche Massaker von Haditha unter Druck. Im November sollen "Marines" dort 24 wehrlose Iraker - darunter Frauen und Kinder - getötet und den Vorfall danach verschleiert haben. Wie die "New York Times" in ihrer Samstagsausgabe berichtet, sind offenbar ranghohe Offiziere der amerikanischen Marineinfanterie schon zwei Tage nach dem mutmaßlichen Massaker über den Vorfall informiert worden.
Die Offiziere hätten frühzeitig gewusst, dass die Zivilpersonen in Haditha nicht bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen, sondern erschossen worden seien. Nichts habe jedoch darauf hingedeutet, dass die Iraker absichtlich erschossen worden seien, berichtete die Zeitung weiter. Daher sei auch keine Untersuchung eingeleitet worden.
Ein Anwalt von überlebenden Familienmitgliedern sagte am Freitag, drei oder vier Marineinfanteristen hätten die Schüsse abgegeben, während etwa 20 weitere vor der Tür gewartet hätten. Die Angehörigen der Opfer hätten eine Bitte der US-Ermittler, die Leichen exhumieren zu dürfen, jedoch aus religiösen Gründen abgelehnt, erklärte Chaled Salem Rsajef.
General fordert moralisches Verhalten
Angesichts der Vorwürfe rief der oberste US-General im Irak seine Soldaten zu moralischem Verhalten auf. In einem Brief von General George Casey heißt es, die kämpfenden Truppen hätten oft schwierige Entscheidungen in gefährlichen Situationen zu treffen. "Aber die Einhaltung der Rechtsprinzipien für bewaffnete Konflikte ist für jede militärische Organisation fundamental." Der General ordnete für alle Soldaten im Irak ein Training für moralische Standards im Kampf an. Der Brief datiert vom Donnerstag und wurde vom Sender ABC News verbreitet. (stl)