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Politik

"Energiesicherheit ist ein Hauptrisiko"

Sabina Fati
30. November 2022

"Wir schaffen es, auch unter diesen sehr schwierigen Bedingungen Stabilität zu bewahren", sagt die moldauische Premierministerin Natalia Gavrilita im DW-Interview am Rande eines internationalen Treffens in Bukarest.

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Natalia Gavrilita, Premierministerin der Republik Moldau
Natalia Gavrilita, Premierministerin der Republik MoldauBild: Manuel Balce Ceneta/AP Photo/picture alliance

Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) hat in Bukarest das zweite Munich Leaders Meeting (MLM) des Jahres veranstaltet. In Zusammenarbeit mit dem rumänischen Außenministerium versammelte die MSC vom 27.-29.11.2022 rund 75 hochrangige Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vorfeld des NATO-Außenminister-Treffens in der rumänischen Hauptstadt. Hauptthemen waren die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die sicherheitspolitischen Herausforderungen in der Region. Am Rande des Treffens sprach die DW mit Natalia Gavrilita, Premierministerin der Republik Moldau.

DW: Welches sind die drei Hauptrisiken für die Republik Moldau im Kontext des russischen Angriffskriegs in der Ukraine?    

Natalia Gavrilita: Zunächst einmal der Angriff auf die Energieinfrastruktur in der Ukraine. Aufgrund dieser Angriffe hatten wir bereits zwei Stromausfälle im ganzen Land: am 15. November und vor einer Woche. Heute haben wir von neuen potenziellen Angriffen gehört, darunter auf Ziele in der nahegelegenen Region Odessa. Ich denke, die Risiken im Zusammenhang mit der Energiesicherheit sind die Hauptrisiken, denen wir ausgesetzt sind - auch wegen der Verbindung durch die Ukraine, weil wir keine Hochspannungsleitung haben, die an das rumänische System angeschlossen werden kann. Wir arbeiten daran und werden hoffentlich 2024 eine gemeinsame Hochspannungsleitung haben. Bis dahin sind wir sehr verwundbar.

Moldaus Angst vor dem Winter

Projekte dieser Art werden seit Jahren verzögert. Was lässt Sie glauben, dass sie jetzt umgesetzt werden?

Es gab keinen politischen Willen. Wir haben gesehen, dass die Iasi-Chisinau-Gaspipeline (von Rumänien in die Moldau - Anm. d. Red.) erst im vergangenen Oktober in Betrieb genommen wurde, nachdem wir die Regierung übernommen hatten. Das war nach der ersten Energie-Erpressung (durch Russland - Anm. d. Red.) im Jahr 2021, aber diese Leitung hilft uns jetzt auch, Zugang zu alternativen Gasquellen zu erhalten. Obwohl wir 2019 den Vertrag über den Anschluss an das rumänische Stromnetz über die Leitung Vulcanesti-Isaccea unterzeichnet haben, hat die Finanzierung des Hochspannungsabschnitts nach Chisinau leider erst jetzt begonnen (bis zur Fertigstellung verläuft die Leitung über die separatistische Region Transnistrien - Anm. d. Red.). Wir sind sicher, dass all diese Projekte jetzt umgesetzt werden, weil es den politischen Willen gibt, weil wir verstehen, dass die Diversifizierung der Energiequellen in direktem Zusammenhang mit unserer Sicherheit steht.

Wie stark können die inneren Unruhen zu einer Destabilisierung der Lage in Ihrem Land führen?

Wir stecken mitten in einem hybriden Krieg mit vielen Fehlinformationen, mit Oligarchen, die die Proteste finanzieren und die auf internationale Sanktionslisten gesetzt wurden. Wir können nicht sagen, dass es vor dem Hintergrund steigender Preise und sinkender Kaufkraft keine Unzufriedenheit gibt. Aber was in den letzten Wochen auf den Straßen von Chisinau passiert, sind Provokationen, die mit Unterstützung ausländischer Dienste durchgeführt werden.

Republik Moldau Chisinau | Protest gegen hohe Lebensmittelpreise
Chisinau: Proteste der sozialistischen Opposition gegen hohe Lebensmittelpreise (16.11.2022)Bild: Vudi Xhymshiti/VX/picture alliance

Glauben Sie, dass Russland immer noch starken Einfluss hat, die Republik Moldau zu destabilisieren, oder gibt es genügend Kräfte, die den Kurs der Regierung in Chisinau unterstützen?    

Zunächst einmal haben wir eine starke parlamentarische Mehrheit - 63 von 100 Mandaten im Parlament. Es gibt eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen der Regierung, der Präsidentschaft und dem Parlament. Wir sind alle auf die gleiche europäische Integrationspolitik ausgerichtet, auf den gleichen Wunsch, die Moldau in der freien Welt zu verankern. Wir haben das Mandat und die Legitimität, die uns die Bürger gegeben haben, wir sind für vier Jahre gekommen und schaffen Schritt für Schritt Ordnung - und das sieht man. Wir schaffen es, auch unter diesen sehr schwierigen Bedingungen Stabilität zu bewahren.

Haben Sie Daten über Cyberangriffe und Angriffe anderer Art, die von Russland gegen die Republik Moldau ausgehen, die wir nicht sehen, die aber in Ihrem Land zu spüren sind?    

Im diesem Jahr hatten wir etwa 300 Bombenalarme. Gerade heute Morgen, als wir nach Bukarest fliegen wollten, gab es in dem Flugzeug, das wir nehmen wollten, Bombenalarm. Wir haben neue Protokolle, um diese Krisensituationen zu bewältigen. Wir hatten auch 200 Cyberangriffe, der vom August war der stärkste. Gemeinsam mit unseren Partnern arbeiten wir daran, unsere Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, um der hybriden Kriegsführung entgegentreten zu können. Wir sind auch mit einem feindlichen Informationsumfeld konfrontiert: viel Desinformation, sehr viele Telegram-Kanäle oder Webseiten, die selbst von Ländern, die über größere Kapazitäten als die Republik Moldau verfügen, schwer zu kontrollieren sind.

In der Republik Moldau wird eine Debatte von Anatol Salaru, dem ehemaligen Verteidigungsminister, angestoßen, der von einer Vereinigung mit Rumänien im Falle eines Angriffs auf die Republik Moldau sprach. Glauben Sie, dass Diskussionen zu diesem Thema derzeit sinnvoll oder eher eine Provokation sind?    

In diesem Moment müssen wir Frieden und Stabilität in der Republik Moldau aufrechterhalten. Wir müssen anerkennen, dass wir eine multiethnische Gesellschaft haben. Deshalb müssen wir in dieser Zeit einen ausgewogenen Ansatz verfolgen und den sozialen Zusammenhalt gewährleisten. Auch wenn es notwendig ist, die Themen im Zusammenhang mit den stattfindenden globalen Veränderungen und deren Bedeutung für uns zu diskutieren, müssen wir uns um Stabilität und den sozialen Zusammenhalt kümmern.

Maia Sandu, Staatspräsidentin Moldau und Klaus Iohannis Staatspräsident Rumänien
Die moldauische Präsidentin Maia Sandu zu Besuch bei ihrem rumänischen Amtskollegen Klaus Iohannis in Bukarest (29.07.2022)Bild: Daniel Mihailescu/AFP via Getty Images

Was wären drei ganz wichtige Dinge, die Sie noch von Rumänien brauchen?         

Wir brauchen Unterstützung beim Zugang zu alternativen Energiequellen, wir brauchen Unterstützung bei der Bewältigung der logistischen Krise, was eine Erhöhung der Abfertigungskapazität an der Grenze bedeutet - und natürlich finanzielle Hilfe. Wir wissen, dass Rumänien bereits sehr viel für die Republik Moldau tut. Wir haben auch auf dieser Konferenz der MLM-Staats- und Regierungschefs (Munich Leaders Meeting in Bukarest - Anm. d. Red.) die Bemühungen Rumäniens gesehen, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf die Republik Moldau zu lenken. Wir werden weiterhin mit der rumänischen Regierung zusammenarbeiten - und gemeinsam werden wir erfolgreich sein.

Adaption aus dem Rumänischen: Robert Schwartz