Missbrauch auch bei Regensburger Domspatzen
5. März 2010Die Regensburger Domspatzen sind als ältester Knabenchor der Welt auf der ganzen Welt berühmt. Nun hat das Bistum Regensburg eingeräumt, dass es auch im Internat der jungen Sänger Fälle sexuellen Missbrauchs gab. Als Zeitraum gab Bistumssprecher Clemens Neck am Freitag (05.03.2010) die 50er und 60er Jahre an. Zwei leitende Geistliche seien damals wegen der Taten verurteilt worden und mittlerweile verstorben. Allerdings fehlten der Kirche noch Details zu den Verfehlungen der beiden Mitarbeiter.
Den nun eingegangenen Hinweisen von früheren Chorknaben sei zu entnehmen, dass es sich sowohl um Prügelstrafen als auch sexuellen Missbrauch gehandelt habe. Einer der Verurteilten, ein Internats-Leiter, sei 1958 aus dem Dienst des Domspatzen-Gymnasiums entfernt worden, erklärte Neck. Die Regensburger Diözesan-Beauftragte für sexuellen Missbrauch, Birgit Böhm, bat alle Betroffenen, sich zu melden. Ziel sei nicht nur Hilfe für die Opfer und Prävention, sondern auch eine straf- und kirchenrechtliche Verfolgung der Täter.
Georg Ratzinger: Hatte keine Kenntnis
Der frühere Domspatzen-Dirigent Georg Ratzinger, der Bruder von Papst Benedikt XVI., hatte nach eigenen Angaben keine Kenntnis über Missbrauchsfälle in dem Chor. Das sagte der Geistliche dem Bayerischen Rundfunk. Der frühere Domkapellmeister leitete den Chor von 1964 bis 1994.
Ein früheres Chormitglied forderte unterdessen die katholische Kirche und insbesondere Papst Benedikt XVI. auf, mehr für die Aufarbeitung der Vergangenheit zu unternehmen. Die Kirche müsse die Stimmung von damals aufgreifen und analysieren, sagte Karl Birkenseer, der Ende der 60er Jahre bei den Domspatzen sang. Hier gehe es vor allem um die "verdruckste Sexualmoral" der 50er Jahre.
Kloster Ettal: Misshandlungen bis 1990
Konkrete Berichte über frühere Misshandlungen legte unterdessen der von der Benediktiner-Abtei Ettal eingesetzte Sonderermittler Thomas Pfister vor. In der Schule und im Internat des Klosters seien bis zum Jahr 1990 Kinder körperlich gezüchtigt und sexuell missbraucht worden, erklärte der Anwalt. Die Vorfälle seien heute verjährt, hätten aber bei rechtzeitiger Verfolgung durch die Justiz wahrscheinlich zu mehrjährigen Haftstrafen geführt. Eine systematische Kultur des Wegschauens und Verschweigens im Kloster habe den Tätern ihr Treiben erleichtert.
Zwar sei das Kloster heute eine "andere Welt". Dennoch müssten sich auch die Internatsleiter der 90er Jahre Kritik gefallen lassen. So sei es fraglich, warum damals ein Lehrer weiterbeschäftigt wurde, der innerhalb der Schule als Vertreter der autoritären alten Garde bekannt gewesen sei.
Autor: Christian Fähndrich (dpa, kna, epd)
Redaktion: Dirk Eckert