Razzia im Kloster Ettal
3. März 2010Die Durchsuchungen in dem Vorzeigeinternat des Benediktinerordens am Dienstag (02.03.2010) sind ein vorläufiger Tiefpunkt in dem Skandal um Gewalt und sexuellen Missbrauch in katholischen Erziehungseinrichtungen. Im Kloster Ettal sollen Schüler von Geistlichen missbraucht worden sein. "Die Ermittlungen vor Ort laufen in Anwesenheit der Staatsanwaltschaft", bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II. Ob es in der deutschen Nachkriegsgeschichte überhaupt schon einmal eine Razzia in einem Kloster gegeben habe, konnte ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz auf Nachfrage nicht beantworten.
Abtei will künftig vorbeugen
Nach bisherigen Erkenntnissen werden vier Patres aus dem Kloster Ettal, von denen einer verstorben ist, verdächtigt, Übergriffe auf Kinder in mindestens 20 Fällen begangen zu haben. Die meisten Vorfälle hätten sich in den 70-er und 80-er Jahren ereignet. Am Nachmittag hatte die Abtei angekündigt, als Reaktion auf die Missbrauchsfälle Präventivmaßnahmen zu entwickeln und sich dabei von externen Fachleuten beraten zu lassen.
Suspendierter Mönch in der Jugendarbeit tätig
Im Zusammenhang mit den Vorwürfen am Kloster Ettal wurden auch drei Mönche aus dem Kloster Wechselburg in Sachsen suspendiert und von ihren seelsorgerischen Aufgaben entbunden. Gegen sie lägen Missbrauchsvorwürfe aus ihrer Zeit an der Schule und dem Internat in Ettal vor, teilte das Bistum Dresden-Meißen am Dienstag mit. Weitere Verdachtsfälle aus diesem Kloster gebe es bislang nicht. Bischof Joachim Reinelt kündigte aber an, solchen Anhaltspunkten gründlich nachzugehen. Einer der drei Mönche sei für das Jugend- und Familienhaus des Klosters in Wechselburg zuständig gewesen.
Umstrittene Rolle des Zwangszölibates
Seitdem Ende Januar erste Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt geworden sind, haben sich bereits mehr als 150 Betroffene gemeldet. Ähnliche Skandale haben die katholische Kirche bereits in Irland, den USA und Österreich erschüttert. Dabei wird auch die Rolle des Zwangszölibates – des Keuschheitsgebotes für Priester – diskutiert.
Längerer Anspruch auf Entschädigung nötig
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erwägt nach dem Bekanntwerden des Skandals in Deutschland eine Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungspflichten. Bislang können minderjährige Missbrauchsopfer noch bis drei Jahre nach ihrem 21. Geburtstag Anspruch auf Entschädigung erheben. "Das ist oft zu kurz", sagte Leutheusser-Schnarrenberger in einem Zeitungsinterview.
Autorin: Sabine Faber (dpa, kna)
Redaktion: Reinhard Kleber