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Politik

Merkel sieht Türkei-Verhandlungen skeptisch

30. November 2016

Angesichts der Lage in der Türkei scheint nun auch die Kanzlerin keinen Sinn mehr in weiteren EU-Beitrittsgesprächen zu sehen. Diesen Eindruck vermittelte sie jedenfalls bei der jüngsten Sitzung der Unions-Fraktion.

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Kanzlerin Angela Merkel und der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (Foto: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld)
Kanzlerin Angela Merkel und der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Volker KauderBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Merkel gegen EU-Beitrittsverhandlungen mit Türkei

Bundeskanzlerin Angela Merkel rechnet bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei derzeit nicht mit der Eröffnung weiterer Kapitel. Das erklärte Merkel nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstag. Deshalb sehe sie keinen Handlungsbedarf bei diesem Thema. Von Teilnehmern wurden aber Medienberichte dementiert, dass Merkel selbst empfohlen habe, keine weitere Kapitel zu eröffnen. Sie habe lediglich den Ist-Zustand in den Gesprächen beschrieben, als sie von einer Abgeordneten gefragt worden sei, wie man in den Wahlkreisen die deutsche Türkei-Politik erklären solle, hieß es.

Das Europaparlament hatte erst am Donnerstag gefordert, die Beitrittsgespräche mit der Türkei auf Eis zu legen. Ankara reagierte zunächst mit der Drohung, das Flüchtlingsabkommen mit der EU aufzukündigen. Am Dienstag dann erklärte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, sein Land habe das EU-Kapitel zwar "noch nicht geschlossen". Allerdings sollte "niemand vergessen, dass die Türkei stets sehr viele Alternativen hat". Nähere Angaben dazu machte Erdogan aber nicht. Die Beitrittsverhandlungen waren 2005 offiziell aufgenommen worden.

Celik: "Ja, vielleicht könnten die Tore wieder geöffnet werden"

Der türkische Europaminister Ömer Celik erneuerte derweil Warnungen, nach denen sein Land die Grenzen für Flüchtlinge wieder öffnen könnte. "Ja, vielleicht könnten die Tore wieder geöffnet werden", sagte er in einem ARD-Interview. Die Türkei sei schließlich kein "Konzentrationslager". Gleichzeitig warf Celik der EU vor, zentrale Bestandteile des Flüchtlingsabkommen nicht einzuhalten. Als Beispiele nannte er die Visa-Liberalisierung, die Finanzhilfen für die Versorgung syrischer Flüchtlinge sowie die Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen. Wenn weiter mit dem Nichteinhalten von Versprechen gedroht werde, habe es für die Türkei keinen Sinn, an dem Deal festzuhalten.

Aus Sicht der EU ist die Türkei selbst für die schleppende Umsetzung von Vereinbarungen verantwortlich. So hat sie beispielsweise bislang nicht die Voraussetzungen für die Visa-Liberalisierung erfüllt. Insbesondere geht es um Änderungen an den türkischen Anti-Terrorgesetzen, die nach Auffassung von europäischen Rechtsexperten zur Verfolgung von Journalisten und Andersdenkenden missbraucht werden können. Der im März geschlossene Flüchtlingspakt sieht unter anderem vor, dass die EU alle Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann.

Özdemir: "Deutschland an der Seite der Zivilgesellschaft"

Angesichts der Debatte um einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen forderte Grünen-Chef Cem Özdemir die Bundesregierung auf, der Rolle der türkischen Gesellschaft mehr Beachtung zu schenken. Man müsse klarmachen, dass sich die Überlegungen nicht gegen die türkische Bevölkerung richteten, sondern gegen Erdogans Politik, das Land "in eine Art offenes Gefängnis" zu verwandeln, sagte Özdemir in der ARD. Die Bundesregierung müsse signalisieren, dass Deutschland "an der Seite der türkischen Zivilgesellschaft stehe".

sti/stu (afp, dpa, kna, rtr)