Merkel dementiert Pläne für Roma-Abschiebung
17. September 2010In Deutschland soll es keine Räumung von Roma-Lagern geben wie in Frankreich. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies die Äußerungen des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy diesbezüglich prompt zurück. Die Kanzlerin habe weder im Europäischen Rat noch mit Sarkozy über die Roma-Lager in Deutschland, geschweige denn über deren Räumung gesprochen. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert nach der Rückkehr in Berlin. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle dementierte die Äußerungen Sarkozys. Eine derartige Ankündigung der Bundeskanzlerin habe es nicht gegeben, sagte Westerwelle am Freitag (17.09.2010) im Deutschlandfunk.
Verwirrung um Sarkozys Aussagen
Sarkozy hatte mit seinen Äußerungen beim EU-Gipfel in Brüssel für Verwirrung gesorgt. "Frau Merkel hat mir ihre Absicht signalisiert, in den nächsten Wochen (Roma-)Lager räumen zu lassen. Dann werden wir sehen, welche Ruhe im politischen Leben in Deutschland herrschen wird", hatte Sarkozy gesagt. Merkel habe ihm zudem ihre "totale und vollständige Unterstützung" bei der Frage der Roma-Abschiebungen signalisiert.
EU-Diplomaten wiesen Sarkozys Aussage ebenfalls zurück. "Es sind heute im Europäischen Rat von deutscher Seite zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Äußerungen zu irgendwelchen Roma-Lagern oder Räumungen in Deutschland gemacht worden", hieß es.
Auch Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner bringt seinen Präsidenten in Erklärungsnot. Kouchner erklärte am Freitag dem Rundfunksender Europe 1, er habe Sarkozy in Brüssel nicht mit Merkel reden hören. Auf die Frage, wer gelogen habe, sagte Kouchner: "Das wird die Geschichte entscheiden. Ich habe (einer solchen Unterredung) nicht beigewohnt, obwohl ich die ganze Zeit anwesend war. Der Präsident hat mir darüber auch nichts berichtet - ich weiß nicht, ob diese Unterredung irgendwo abseits stattgefunden hat." Unklar blieb, wie Sarkozy auf die angeblichen Räumungen von Roma-Lagern in Deutschland kam.
"Politik der schrittweisen Rückführung"
Im April dieses Jahres hatte Deutschland ein Abkommen mit dem Kosovo unterzeichnet, nach dem etwa 14.000 Menschen wieder in den Kosovo zurückgeschickt werden sollen. Laut Bundesregierung zählen rund 10.000 der etwa 14.000 ausreisepflichtigen Kosovaren in Deutschland zur Volksgruppe der Roma-Minderheit. "Massenabschiebungen" seien aber nicht geplant, hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärt. Deutschland wolle seine "Politik der schrittweisen Rückführung" fortsetzen.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sollen pro Jahr höchstens 2500 Anträge zur Rückführung gestellt werden. Das Ministerium wies zudem darauf hin, dass weit weniger Menschen tatsächlich zurückgeführt würden als beantragt. So seien im Jahr 2009 bei 2385 gestellten Ersuchen 541 Menschen tatsächlich zurückgeführt worden. Zugleich hatte Berlin dem Kosovo zugesagt, bei den Rücknahmeersuchen auf ein "angemessenes Verhältnis der verschiedenen Ethnien" zu achten und damit nicht ausschließlich Roma abzuschieben.
Kritik an Merkel
Der grüne Europa-Parlamentarier Reinhard Bütikofer forderte Merkel unterdessen auf, die Haltung der EU-Kommission bezüglich der französischen Roma-Politik zu unterstützen. In einem Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau" sagte er, Merkel müsse "ihrem engen Freund Sarkozy in der Sache deutlich machen", dass EU Kommissionsvizepräsidentin Viviane Reding völlig Recht habe. Dazu müsse sie öffentlich stehen, so Bütikofer weiter.
Reding hatte für Empörung gesorgt, als sie Frankreichs Roma-Politik mit Deportationen im Zweiten Weltkrieg verglich. Am Mittwochabend hieß es aus Paris, Reding habe sich für ihre Äußerungen entschuldigt.
Für Prüfung, gegen Wortwahl
Merkel hatte beim EU-Gipfel der Kommission das Recht zugesprochen zu prüfen, ob sich die Mitgliedstaaten an die EU-Verträge halten. Sie hatte sich aber auch zur Wortwahl Redings geäußert "Ich habe deutlich gemacht, dass ich den Tonfall und auch die Wortwahl der Kommissarin nicht angemessen fand", sagte Merkel.
Frankreich hatte in den vergangenen Wochen hunderte Roma in ihre Heimatländer Rumänien und Bulgarien ausgeflogen, die EU-Mitglieder sind. Die Kommission sieht darin einen möglichen Verstoß gegen das EU-Recht auf Niederlassungsfreiheit und droht Paris deshalb mit einem Verfahren.
Autorin: Mona Hefni (dpa,dpad,afp)
Redaktion: Dirk Eckert