Menschenrechtsverletzungen in 159 Ländern
27. Mai 2010"Das Jahr begann im März 2009 menschenrechtlich mit einem Paukenschlag: dem Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir", sagt die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Monika Lüke, bei der Vorstellung des Jahresberichts 2010. "Das ist das erste Mal, dass ein amtierendes Staatsoberhaupt strafrechtlich international belangt wird wegen massiver Menschenrechtsverletzungen."
Der Haftbefehl gegen al-Bashir wurde von dem 2002 gegründeten Internationalen Strafgerichtshof erlassen. Dessen Statut haben mittlerweile bereits 111 Staaten ratifiziert und sich dadurch verpflichtet, die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich zu ahnden. Es gebe jedoch immer noch wichtige Staaten, die sich dieser Verantwortung entziehen - darunter die USA, Russland, China, Indonesien und die Türkei. Das müsse sich ändern, betonte Lüke. Nichtsdestotrotz wurden fünf weitere Anklagen erhoben und Haftbefehle gegen acht weitere Personen ausgesprochen. Wichtig ist nach den Worten der Generalsekretärin von Amnesty Deutschland vor allem: "Die Botschaft, die von diesem Internationalen Strafgerichtshof an die Folterer ausgeht, an diejenigen, die politisch Oppositionelle in Kerkern verschwinden lassen oder umbringen: 'Ihr kommt nicht mehr davon, Ihr werdet bestraft, Ihr steht nicht mehr über dem Gesetz - die Opfer kommen zu ihrem Recht.' "
Iran besonders düster
Im Iran war 2009 ein ganz düsteres Jahr im Menschenrechtsbereich, so die Chefin von Amnesty International in Deutschland. Insbesondere seit den Wahlen am 12. Juni vergangenen Jahres seinen im Iran massiv und systematisch die Menschenrechte verletzt worden. "Streckenweise waren 5.000 Oppositionelle inhaftiert", erklärte Lüke, "Noch immer hält Ahmadinedschad, der iranische Präsident, dreihundert politische Gegner in den Gefängnissen fest - ohne Verfahren, unter Folter. Frauen werden systematisch vergewaltigt." In Schauprozessen seien 2009 über achtzig politische Gegner verurteilt worden, mindestens sechzehn von ihnen zum Tode.
Mit Blick auf Afghanistan, wo Präsident Karsai mit den Taliban verhandeln wolle, warnte Amnesty vor 'faulen Kompromissen'. Die Menschenrechte würden von den Taliban grundsätzlich und von der Regierung oftmals mit Füßen getreten:
"Amnesty fürchtet, dass dabei die Menschenrechte auf der Strecke bleiben, insbesondere die Rechte der Frauen, denn diese existieren für die Taliban überhaupt nicht. Aber Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Es darf bei dem Bemühen, den Bürgerkrieg mit den Taliban zu beenden, keinen Ausverkauf der Menschenrechte in Afghanistan geben. Das heisst ganz klar: Keine Amnestie für d i e Taliban, die die Menschenrechte verletzt haben."
Kritik an Obama
Aber auch das Fazit von Amnesty International zur Politik des US-Präsidenten Barack Obama ist ernüchternd. Schuld daran sei vor allem das immer noch nicht geschlossene US-Gefangenenlager in Guantanamo. sagte Lüke:
"Etwa 50 Inhaftierte, die derzeit in Guantanamo sitzen, sollen weiter ohne Gerichtsverfahren in Haft gehalten werden - nur nicht mehr in Guantanamo/Kuba, sondern bald in Thomson /Illinois. Was ändert sich? Nur die Postleitzahl. US-Gerichte dürfen noch immer Geständnisse verwenden, die durch Folter erpresst wurden. Derweil bleiben diejenigen, die in der Bush-Regierung die Folter-Memos verfasst haben, ungeschoren."
Auch die Insassen des US-Gefangenenlagers Bagram in Afghanistan hätten keine Chance auf ein Verfahren in den USA, bedauerte die Chefin von Amnesty Deutschland.
Deutschland gemischt beurteilt
Vor wenigen Tagen war Bundespräsident Horst Köhler in China. Er übergab dort eine Namensliste von Menschenrechtsverteidigern, die in Haft sind und erbat Auskunft.
Lüke hofft, dass unter den Namen auch der von Liu Xiaobo ist, eines Kämpfers für die Menschenrechte, der im Dezember 2009 zu 11 Jahren Haft verurteilt worden ist.
Aber auch Deutschland haben die Menschenrechtler von Amnesty unter die Lupe genommen. Hier gebe es durchaus positive Entwicklungen, stellte Monika Lüke fest:
"Die Kinder von Ausländern, die in Deutschland ohne Papiere leben, sogenannte Illegale, können endlich zur Schule gehen, ohne dass sie fürchten müssen, dass am Tag danach ihre Familie abgeschoben wird. Denn endlich sind die Schulbehörden in allen Bundesländern nicht mehr verpflichtet, die Daten an die Ausländerbehörden weiter zu übermitteln." Enttäuschend bleibe allerdings, so die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, dass Politiker immer noch nicht erkannt hätten, dass man niemals in Folterstaaten abschieben dürfe. Sogenannte diplomatische Zusicherungen seien nichts als leere Versprechungen. Geständnisse, die unter Folter entstanden seien, müssten vor deutschen Gerichten tabu bleiben.
Nachdrücklich verwies Lüke auf Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka, in Israel und Palästina sowie in der Demokratischen Republik Kongo. In Russland sei die Menschenrechtslage "verheerend" - auch unter dem neuen Präsidenten Medwedjew:
"Wer sich in Moskau oder im Nordkaukasus für die Menschenrechte einsetzt, läuft Gefahr, umgebracht zu werden."
Autorin: Sabine Ripperger
Redaktion: Nicola Reyk