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Ode an eine Kölner Eckkneipe

11. September 2017

Unsere Reporterin Suzanne Cords ist einmal um die Welt gereist und hat wunderschöne Orte besucht. Doch nirgendwo hat sie so viel Zeit verbracht wie in ihrer Kölner Stammkneipe – vor allem in lauen Sommernächten.

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Kölner Kneipe Climax am Eifelplatz
Bild: DW/S. Cords

Hier gibt es keinen Meerblick, und alle zehn Minuten rattert die Straßenbahn vorbei. Das Lokal liegt an einem Kreisverkehr, es ist laut, und der Zigarettenqualm vom Nebentisch stört schon mal beim Essen. Trotzdem: Ich liebe diese kleine Eckkneipe unter den lauschigen alten Bäumen, wo sich das Leben als buntes Panoptikum präsentiert. Hier ist immer etwas los und das seit über einem Vierteljahrhundert.

Gäste sitzen draußen an Holztischen
Stammgäste kommen am Wochenende auch gern zum Mittagstisch Bild: DW/S. Cords

Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Geburtstage, Hochzeiten oder sogar Kommunionsfeiern wir hier veranstaltet haben – wir, die Leute aus dem Viertel. Hier treffen sich diejenigen, die ums Eck wohnen. Man macht sich nicht extra schick, wenn man hierher kommt, man ist einfach Teil der Eckkneipen-Familie. Und immer trifft man jemanden zum Plaudern.

Skandal im Viertel

Aus uns Gästen der ersten Stunde sind längst Familienmütter und -väter geworden - oder auch nicht. Einige sind schon in Rente, andere inzwischen gestorben. Wie zum Beispiel Erika, die allererste Straßenbahnschaffnerin Kölns, die gerne erzählte, wie sie sich gegen die männliche Konkurrenz behauptete. Auch Erika ist leider nicht mehr da. Sie kam "aus guter Familie", wie man früher so sagte, und heiratete Mitte der 1960er Jahre gegen den Willen ihrer Eltern einen italienischen Gastarbeiter der ersten Stunde. Der war zudem auch noch 20 Jahre jünger als sie. Damals ein Skandal. Ich denke gern an die beiden zurück, die jahrelang verliebt händchenhaltend mit den anderen Stammgästen plauderten und natürlich gern ein Kölsch dazu tranken.

Kölner Kneipe Climax am Eifelplatz
Bild: DW/S. Cords
Kölner Kneipe Climax am Eifelplatz
Nur noch ein paar Schritte bis zur StammkneipeBild: DW/S. Cords

Udos Lotterie 

Wenn Wirt Udo früher seine "Frikadellen-Lotterie" ausrief, bei der man ein paar Freibier gewinnen konnte, stieg der Fleischabsatz rapide an. Man musste beim Kauen nur etwas zwischen die Zähne bekommen, was nicht in den Mettbatzen gehörte - eine Olive zum Beispiel. Leider stieß man aber auch immer wieder auf eines von Udos langen Haaren... Ach Udo, mit 1,90 Metern ein Baum von einem Mann mit einer herzensguten Seele, dem man so gut sein eigenes Herz ausschütten konnte. Leider ist er vor zwei Jahren gestorben. Fast alle Stammgäste waren bei der Beerdigung, um ihn zu verabschieden.

Neue Wirte, altbewährte Rallye

Speisekarte an einer Fassade
Was gibt's heute zu essen? Bild: DW/S. Cords

Heute hat die Eckkneipe einen neuen Namen und zwei neue Wirte, einer stammt aus Albanien, der andere aus Italien. Statt Frikadellen und Dosensuppe gibt es jetzt richtig leckeres Essen. Das Interieur wurde aufgehübscht, aber sonst hat sich gar nicht so viel verändert. Immer noch ist es schwer, draußen einen Tisch zu ergattern, immer noch bedienen hier Studentinnen, um das Bafög aufzustocken.

Und immer noch gibt es alle Jahre im August die zweitägige Stammkneipen-Rallye. Wie bei einer Schnitzeljagd muss man Fragen beantworten und sich so langsam zum Ziel vorarbeiten. Die diversen Teams, vom Enkel bis zum Opa, sind mit dem Auto unterwegs. Wer am Ende am meisten Punkte hat, bekommt den Wanderpokal. Der ist so hässlich, dass ich ihn nach meinem ersten Sieg ein Jahr lang im Keller versteckt habe, um ihn nicht anschauen zu müssen.

Rettungsaktionen am Kreisverkehr

Wenn alle Teilnehmer wieder wohlbehalten in Köln sind, trifft man sich abends noch mal zum Ausklang beim Kölsch – es kann natürlich auch ein Kaffee oder eine Rhabarberschorle sein. Vielleicht rast dann gerade mal wieder ein Ortsunkundiger mit seinem Auto nicht um den Kreisverkehr herum, sondern mitten hinein und steckt auf den Straßenbahnschienen fest. Schon oft waren Kneipengäste dann zugleich das Bergeteam, das die Fahrzeuge zurück auf die Fahrbahn schob. Vielleicht watschelt aber auch eine Ente mit ihren Küken aus dem gegenüberliegenden Park heran und bettelt um Brotkrümel.

Straßenbahn am Eifelplatz
Blick ins Grüne am Kreisverkehr Bild: DW/S. Cords

Wenn die Sonne dann hinter dem Hochhaus gegenüber untergeht, die Vögel ihr Abendlied und die Gäste ihr Kölsch zwitschern, weiß ich: Hier möchte ich auch im nächsten Sommer wieder sitzen. Denn hier ist auch ein Stück Zuhause.

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur