"Im Kampf gegen den Klimawandel müssen wir schnell sein"
6. November 2016DW: Herr McKibben, wie ist es aktuell um unser Weltklima bestellt?
Bill McKibben: 2016 war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Das Eis der Arktis und der Antarktis ist so stark geschmolzen wie noch nie zuvor. Das sind alarmierende Zeichen. Auch wenn wir unseren Kindern nicht gerade die Hölle vermachen werden, so werden zumindest die Temperaturen sehr stark daran erinnern.
Warum wird nicht mehr für den Klimaschutz getan? Wer sind die größten Bremser?
Das sind die Unternehmen, die Geschäfte mit fossilen Energieträgern machen. Sie wollen weiterhin genau das machen, was sie seit 250 Jahren tun: Kohle, Gas und Öl fördern und verbrennen. Das hat sie extrem reich gemacht, und jetzt nutzen sie dieses Geld, um Veränderungen zu blockieren. Es ist nun an uns, eine Bewegung aufzubauen, die sich gegen diese Konzerne auflehnt. Das gelingt uns auch allmählich. Aber ich weiß nicht, ob wir schnell genug sind, um den Wettlauf gegen die Physik, also gegen den Klimawandel, zu gewinnen.
Knapp zwei Drittel der US-Amerikaner geben an, dass der Klimawandel für sie ein wichtiges Thema ist. Im US-Wahlkampf findet das Thema jedoch fast nicht statt. Wird es absichtlich gemieden? Oder wird es nicht als Priorität gesehen?
Weder - noch. In diesem Jahr hat der Präsidentschaftswahlkampf sehr bizarre Züge angenommen. Ich bin kein großer Fan von Hillary Clinton, aber ich muss ihr zugutehalten, dass sie das Thema zumindest ab und zu auf den Tisch bringen wollte, um dann feststellen zu müssen, dass es hinter den gewohnten Ausbrüchen blödsinniger Äußerungen von Herrn Trump verschwindet.
Donald Trump glaubt, dass der Klimawandel ein Gerücht ist, verbreitet von den Chinesen. So etwas geben sonst nur Verrückte von sich - Menschen, die in U-Bahn-Stationen vor sich hin brabbeln und die man lieber meidet. Aber der hier könnte Präsident der Vereinigten Staaten werden! Er hat angekündigt, dass er das Pariser Klimaschutzabkommen aufkündigen oder zumindest dafür sorgen will, dass sich die USA nicht daran halten.
Was würde ein Sieg Hillary Clintons für die US-Klimapolitik bedeuten?
Er würde wohl nur bedeuten, dass die Klimaschutz-Bewegung, die wir gerade aufbauen, weiterhin versuchen würde, Druck auf Clinton auszuüben. Ich glaube nicht, dass wir von einer Clinton-Regierung viel geschenkt bekämen. Sie hat sich im Wahlkampf nicht gerade mit Fragen des Klimaschutzes hervorgetan.
Sie setzen den Klimawandel mit einem Dritten Weltkrieg gleich. Gegen wen genau kämpfen wir und wie können wir diesen Kampf gewinnen?
In diesem Krieg kämpfen Menschen gegen die Physik. Wir verlieren gerade, weil die Temperaturen weiter ansteigen und dadurch jeden Tag Inseln und Küstenabschnitte verloren gehen. Täglich sterben Menschen durch Dürren, Überflutungen und Brände. Es gibt nur eine Möglichkeit zurückzuschlagen: Wir müssen aufhören, Kohle, Gas und Öl zu verbrennen und sie durch erneuerbare Energiequellen wie Sonne, Wind und Wasserkraft ersetzen.
Sie sagten einmal, die Frage, die Ihnen am häufigsten gestellt werde, sei: "Was kann ich tun?" Sie haben auch gesagt, dass sich Ihre Antwort auf diese Frage in den vergangenen Jahrzehnten geändert habe. Inwiefern hat sie sich geändert?
Umweltschützer haben viele Jahre lang den Fokus auf persönliches Engagement gelegt. Die Menschen sollten das Licht ausschalten, wenn sie den Raum verlassen, sich ein spritsparendes Auto kaufen und so weiter. Das alles ist wichtig und richtig. Ich habe selbst Solarpanels auf meinem Dach. Aber ich versuche nicht, mir weiszumachen, dass wir damit den Klimawandel in den Griff bekommen. Denn dabei handelt es sich um ein strukturelles, systemisches Problem. Das können wir nur politisch lösen, indem wir die Regeln ändern, indem wir alle an einem Strang ziehen. Deswegen heißt die Frage nicht "Was kann ich tun?", sondern "Was können wir tun?"
Für wie bedeutsam halten Sie die anstehende UN-Klimakonferenz in Marokko?
Die UN haben bereits das meiste von dem geleistet, was sie leisten können. Es war eine enorme Kraftanstrengung, das Abkommen von Paris zustande zu bekommen. Die Hoffnung ist nun, dass bei der Klimakonferenz in Marrakesch - und auch anderenorts - zumindest damit begonnen wird zu planen, wie die Überprüfung der Fortschritte beim Klimaschutz, die es nach fünf Jahren geben soll, institutionalisiert werden kann. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es internationale Vereinbarungen sein werden, die die größte Wirkung haben. Meiner Meinung nach ist entscheidend, dass sich Bewegungen formieren, die es mit der Öl- und Kohleindustrie aufnehmen.
Wie optimistisch sind Sie, dass wir es schaffen werden, den Klimawandel auszubremsen?
Ich habe aufgehört, eine Antwort auf diese Frage zu suchen. Ich bin optimistisch, dass wir eine große Klimaschutz-Bewegung auf die Beine stellen können, denn das tun wir bereits. Ich bin pessimistisch, was den Forschungsstand angeht: Es passiert alles viel schneller als die Wissenschaftler es erwartet hätten. Es ist aber gut zu wissen, dass man mit so unglaublich vielen Menschen auf der ganzen Welt zusammenarbeitet. Unser Sieg ist nicht garantiert, aber es ist klar, dass es einen Kampf geben wird. Das wussten wir vor zehn Jahren noch nicht, und in der Hinsicht machen wir doch schon Fortschritte.
Bill McKibben ist ein US-amerikanischer Umweltschützer und Schriftsteller. 2014 erhielt er den Alternativen Nobelpreis. McKibben ist der Gründer von 350.org, einer Umweltschutzorganisation, die tausende von Protesten auf der ganzen Welt organisiert hat.
Das Interview führte Charlotta Lomas