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Marokko wählt ein neues Parlament

25. November 2011

In Marokko wird ein neues Parlament gewählt. Als Favorit gilt die gemäßigte islamistische PJD. Die Wahl wurde vorgezogen, damit die neue Verfassungsreform wirksam werden kann. Sie gilt als Test für den Reformkurs.

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Wählerin bei Parlamentswahl (Foto: dpa)
Parlamentswahl in Marokko - der Weg zu mehr Demokratie?Bild: picture alliance/dpa

Die Marokkaner sind an diesem Freitag (25.11.2011) aufgerufen, die Machtverteilung in ihrem Land neu zu bestimmen. Die Parlamentswahl gilt als Test für den Reformkurs von König Mohammed VI., mit dem er auf die Vorgänge des Arabischen Frühlings reagierte. Die moderat islamistische "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (PJD), bisher mit 47 Sitzen die stärkste Kraft der Opposition, könnte nun erstmals in die Regierung gelangen.

Der schärfste Rivale der PJD ist eine Allianz aus Parteien, die das Königshaus unterstützen. So werden auch der konservativen königstreuen "Partei der Authentizität und Modernität" (PAM) gute Chancen eingeräumt. Die PAM hat zusammen mit sieben anderen Parteien eine Koalition gebildet, um im neuen Parlament eine breite Mehrheit zu erreichen und die PJD zu isolieren. Die Wahllokale schließen um 19 Uhr MEZ. Erste offizielle Ergebnisse werden am Samstag erwartet.

Die Wahl findet elf Monate früher statt als ursprünglich geplant, damit die Änderungen einer im Juli verabschiedeten Verfassungsreform wirksam werden können. Die Reform sieht vor, dass König Mohammed VI. dem Parlament und der künftigen Regierung einige seiner Machtkompetenzen abtritt. Der König behält allerdings auch weiterhin die Schlüsselrolle im marokkanischen Machtgefüge und seinen entscheidenden Einfluss auf die Politik.

Protestbewegung boykottiert Wahl

Politiker der PJD (Foto: DW/Bellaouali)
Politiker der PJD - ihnen werden gute Chancen eingeräumtBild: DW/Bellaouali

Die im Arabischen Frühling entstandene marokkanische Jugendprotestbewegung des "20. Februar" und die verbotene radikale islamistische "Bewegung für Gerechtigkeit und Spiritualität" boykottieren die Wahlen. Vor allem die jungen Menschen fühlen sich von den Parteien nicht vertreten und haben keine große Hoffnung in die Politiker. Auch glaubt die marokkanische Demokratiebewegung nicht daran, dass ein echter politischer Wandel zu mehr Demokratie stattfinden wird. Ihr gehen die Zugeständnisse des Königs nicht weit genug.

Bisher stellen die Istiqlal-Partei von Ministerpräsident Abbas El Fassi und der Nationale Zusammenschluss der Unabhängigen (RNI) von Finanzminister Salaheddine Mezouar zusammen mit sechs weiteren Parteien die Regierung. Als unwahrscheinlich gilt, dass eine der Parteien eine absolute Mehrheit erhält – der Wahlsieger muss wahrscheinlich eine Koalition bilden. Von Interesse wird auch die Wahlbeteiligung sein, die in der Vergangenheit extrem niedrig war. Beobachter erwarten, dass auch jetzt viele Marokkaner ihre Stimme nicht abgeben werden. Bei den Wahlen von 2007 waren nur 37 Prozent der Bevölkerung dem Aufruf an die Urnen gefolgt.

Marokkos politisches System

König Mohammed VI (Foto: dapd)
König Mohammed VI hat mehr Demokratie versprochenBild: AP

Marokko verfügt als konstitutionelle Monarchie über ein Mehrparteiensystem. Allerdings ist der Einfluss des Parlaments und der Parteien erheblich begrenzt, weil der König in Schlüsselfragen das letzte Wort hat. Im Zuge des Arabischen Frühlings hatte Mohammed VI., der seit 1999 an der Macht ist, die Umgestaltung von einer konstitutionellen zu einer parlamentarischen Demokratie angekündigt.

Eingeleitet wurde der Wandel mit der Verfassungsreform, die im Juli in einem Referendum mit überwältigender Mehrheit von über 98 Prozent gebilligt wurde. Nach offiziellen Angaben nahmen 78 Prozent der Wahlberechtigten an der Volksabstimmung teil. Wahlbeobachter zweifelten jedoch an der Korrektheit des Ergebnisses. Die Protestbewegung sprach von einem "lächerlichen" Ergebnis.

Im Rahmen der Reform wurden unter anderem die Menschenrechte in der Verfassung verankert, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben und neben dem Arabischen auch die Berbersprache Tamazight als offizielle Sprache anerkannt. Nach der neuen Verfassung kann der König den Premierminister vor allem nicht mehr wie bislang unabhängig von der Sitzverteilung im Parlament ernennen; der Premierminister muss künftig aus den Reihen des Wahlsiegers kommen. Gleichwohl behält der König den Vorsitz bei Kabinettssitzungen, lenkt die Außenpolitik und die Justiz und bleibt Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Perspektivlose Jugend

Junge Menschen unter einem Wahlplakat in Marokko (Foto: dpa)
Viele junge Menschen fühlen sich von den Parteien nicht vertretenBild: picture alliance/dpa

In Marokko kommt es seit den Protestbewegungen in der arabischen Welt immer öfter zu Demonstrationen, die vor allem von der Jugend angeführt werden. Denn die steht oft ohne Zukunftsperspektiven da: Die Arbeitslosenquote bei jungen Menschen liegt bei 30 Prozent. Zudem leben rund 8,5 der 32 Millionen Marokkaner unterhalb der Armutsgrenze. Und dass bei einem König, der sich gern als "König der Armen" titulieren lässt. Dabei zählt Mohammed VI. mit einem geschätzten Privatvermögen von zwei Milliarden Euro zu den reichsten Menschen der Welt.

Doch eine Protestwelle wie in den anderen Staaten des Arabischen Frühlings blieb bisher in dem Maghrebstaat aus. Die Monarchie verstand es bislang mit politischen Zugeständnissen und Reformen einer politischen Umwälzung vorzubeugen und den König bei der Bevölkerung beliebt zu machen.

Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp, dapd, rtr)

Redaktion: Martin Muno