Maiduguri zwischen Terror und Wahlkampf
26. Januar 2015Die Schusswechsel in Maiduguri sind vorbei - so versichert es ein Einwohner der nordostnigerianischen Stadt am Telefon. "Seit heute Morgen (Montag) haben die Märkte wieder geöffnet", berichtet der DW-Hörer, der nur mit seinem Vornamen Philippe genannt werden möchte. Die Stadt steht noch unter dem Schock des Angriffs der islamistischen Boko-Haram-Miliz am Sonntagmorgen (25.01.2015). Zwar konnten Regierungskämpfer die Angreifer zunächst abwehren. Doch längst ist die Hauptstadt des Bundesstaats Borno eine der letzten staatlichen Bastionen in einem Gebiet, in dem die Terrorgruppe zuletzt ihre größten Erfolge feierte. Alle Ausfallstraßen bis auf eine sind bereits unter der Kontrolle von Boko Haram.
Hat sich die Terrorgruppe überschätzt?
Dem kamerunischen Sicherheitsexperten Martin Ewi zufolge scheiterte die Einnahme Maiduguris vor allem am Übermut der Islamisten: Sie hatten gleichzeitig auch die kleineren Städte Monguno und Konduga angegriffen. In Konduga, nur wenige Kilometer von Maiduguri entfernt, scheiterten die Rebellen - die rund 100 Kilometer weiter nördlich gelegene Stadt Monguno hingegen konnten sie einnehmen. Laut Ewi können sich die Einwohner Maiduguris noch lange nicht in Sicherheit wägen: "Die Gruppe will zeigen, dass sie in der Lage ist, sich zu holen, was immer sie will", sagt Ewi, der für das südafrikanische Institut für Sicherheitsstudien (ISS) tätig ist.
Maiduguri ist für Boko Haram nicht nur eine strategisch bedeutsame, sondern auch eine symbolträchtige Stadt: Dort hat die Terrorgruppe ihre Wurzeln, ihr Gründer Mohammed Yussuf erbaute in der Stadt eine bekannte Moschee. "Die Stadt ist so etwas wie ihr Zuhause", so Ewi. Erfolge wie den in Monguno werde die Gruppe vor allem dazu nutzen, um ihre Chancen auf einen Sieg in Maiduguri zu erhöhen.
Etwas anders sieht es Ryan Cummings vom südafrikanischen Sicherheitsberater red.24. Boko Haram habe seine großen Gebietsgewinne vor allem der Tatsache zu verdanken, dass die Armee ihre Kräfte auf wenige große Städte konzentriere, so Cummings. Das Ziel des Angriffs auf die Provinzhauptstadt Maiduguri könne darin bestanden haben, die Sicherheitskräfte zu binden, und so Monguno erobern zu können.
Gebietsverlust als Wahlkampfschlappe für Präsident Jonathan
Wenige Wochen vor der Präsidentenwahl am 14. Februar ist die schlechte Sicherheitslage eines der wichtigsten Wahlkampfthemen für Präsident Goodluck Jonathan und Herausforderer Mohammed Buhari. Am Sonntag hatte Jonathan in Maiduguri einen Wahlkampfauftritt. Nur wenige Stunden nachdem er die Stadt verlassen hatte, griff Boko Haram Maiduguri an. Die Entourage des Präsidenten steckte zunächst in der umlagerten Stadt fest. Buharis Auftritt wurde auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Auch wenn der Präsident unbeschadet davonkam - den Zeitpunkt des Angriffs sieht Cummings als eine Machtdemonstration von Boko Haram. "Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Präsident keine Sicherheit im Norden garantieren kann. Buhari könnte das weitere Wählerstimmen sichern", so Cummings, der Mitglied im Nigeria Security Network, einem Expertennetzwerk zur Sicherheit in Nigeria, ist.
Ob der pensionierte General und Ex-Präsident Buhari den Terror im Norden eindämmen könnte, steht in den Sternen. Doch er hat die Unterstützung der Bevölkerung dort - und die habe er auch ohne starke Wahlkampfauftritte sicher, schätzt Cummings. Allerdings stehen die betroffenen Bundesstaaten vor einer logistischen Herausforderung. Denn damit die Wahlen dort stattfinden können, ist ein Mindestmaß an Sicherheit und staatlicher Kontrolle vonnöten. Bislang habe Boko Haram im Nordosten ein Gebiet von rund 20.000 Quadratkilometern eingenommen und knapp zwei Millionen Menschen vertrieben, so Cummings. Der Fall der Millionenstadt Maiduguri würde die Lage noch verschärfen. "Es könnte eine Situation geben, in der rund zwei Millionen potenzielle Oppositionswähler ihre Stimme nicht abgeben können." Das würde Buhari und seinen Anhängern nach einer möglichen Wahlniederlage einen guten Grund geben, das Ergebnis anzuzweifeln.