Große Pläne
2. Januar 2007"Die Wirkungen der Veränderungen müssen schnell und überall gespürt werden", sagte der wiedergewählte Präsident von Brasilien Lula in seiner Antrittsrede am Montag (1.1.). In einer Sitzung beider Kammern des Kongresses in Brasilia legte der linksgerichtete frühere Gewerkschaftsführer den Eid ab und rief seine Mitstreiter zu "Eile, Beherztheit und Mut" auf, um "neue Wege" zu beschreiten.
"Die Verben 'beschleunigen', 'wachsen' und 'einschließen' werden Brasilien in den kommenden vier Jahren regieren", sagte der 61-Jährige mit Blick auf die zentralen Probleme des Landes - das geringe Wirtschaftswachstum und die Ausgrenzung der Millionen Armen. Im Jahr 2006 belegte Brasilien mit einem Wachstum um die 2,6 Prozent in der Rangliste Lateinamerikas und der Karibik den vorletzten Platz vor Haiti.
Sanftere Geldpolitik
Der Präsident kündigte an, sich für ein schnelles Wirtschaftswachstum einzusetzen, ohne dabei die Kontrolle über die Inflation und den Staatshaushalt zu verlieren. Lula will nach eigenen Worten unter anderem ein Anreizprogramm für Unternehmen schaffen, die hohen Leitzinsen reduzieren und die Bürokratie bekämpfen.
Vor allem die Industrie und die konservative Opposition hatten die hohen Zinsraten kritisiert, aber auch in der Arbeiterpartei mehren sich die Rufe nach einer sanfteren Geldpolitik. Mit dem Verbleib des Zentralbankchefs Henrique Mereilles im Amt dürfte sich laut Experten an den hohen Zinsraten allerdings zunächts nichts ändern.
Nicht nur "Krümel vom Kuchen"
Trotz Korruptionsskandalen in seiner Arbeiterpartei (PT) genießt der Präsident laut Umfragen großes Vertrauen. Vor allem die arme Bevölkerung unterstzützt den 61-Jährigen.Gemäß seinem Slogan "Null Hunger" gewährte Lula in seiner ersten Amtszeit 45 Millionen Armen umgerechnet mehr als 250 Millionen Euro an Zuschüssen. Gleich nach seiner Wiederwahl einigte er sich mit den Gewerkschaften auf eine Erhöhung des Mindestlohnes um 8,6 Prozent. Der Kongress muss das Gesetz noch annehmen.
Trotzdem beobachten unter anderen Brasiliens Bischöfe den Kurs Lulas mit Skepsis: Der Präsident werde zwar oft als "links" eingestuft, bisher habe er aber in der Wirtschafts- und Sozialpolitik einen Mitte-Rechts-Kurs verfolgt, sagte Bischof Odilo Scherer, der Generalsekretär der Brasilianischen Bischofskonferenz. Die Masse der Armen dürfe nicht nur die "Krümel vom Kuchen" abbekommen, fügte er unter Verweis auf die "Null-Hunger"-Kampagne hinzu.
Zuckerwatte und Freudenrufe
Vor seiner Vereidigung ließ sich Lula zusammen mit seiner Frau Marisa in einem offenen Rolls Royce über die zwei Kilometer lange Esplanade der Ministerien fahren, die von der Kathedrale von Brasilia zum Kongress führt. Trotz Regens säumten tausende Menschen die Strecke und begrüßten den Präsidententross mit Freudenrufen. Es herrschte Volksfeststimmung; die Esplanade wurde von Getränke- und Zuckerwatteverkäufern gesäumt. Die Prozession hatte aber wesentlich weniger Zuschauer als bei Lulas erstem Amtsantritt vor vier Jahren. Damals hatten 150.000 Menschen den neuen Präsidenten gefeiert.
Lula hatte die Stichrunde der Präsidentenwahl am 29. Oktober mit 61 Prozent gegen seinen sozialdemokratischen Rivalen Geraldo Alckmin gewonnen. Der 61-Jährige sicherte sich damit trotz des Dämpfers in der ersten Wahlrunde eine zweite und letzte Amtszeit bis Ende 2010. (ana)