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Politik

Corona trifft auf Austauschschüler

25. März 2020

Eine Gruppe junger Leute aus den USA ist auf einem Austausch in Deutschland. Dann heißt es, sie müssten wegen Corona sofort zurück. Wenn das so leicht wäre: Es folgten Chaos, Verwirrung - und für manche eine Odyssee.

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Berlin Fernsehturm  CBYX Teilnehmer
Bild: Will Thomas

Eigentlich hatten sie noch drei Monate in Deutschland vor sich, den ganzen Frühling. Dann traf sie am 12. März die Entscheidung.  Das US-Außenministerium stoppte wegen des Coronavirus "vorläufig” alle internationalen Austauschprogramme. Das bedeutete nicht nur ein abruptes Ende von Praktika, Studienaufenthalten und vielen persönlichen Begegnungen. Es bedeutete auch ganz praktisch: Hunderte deutsche und amerikanische Jugendliche mussten ganz plötzlich nach Hause.

Mindestens eine Gruppe protestierte gegen diese Entscheidung: Die 75 amerikanischen Teilnehmer des alljährlichen Jugendaustauschs zwischen dem US-Kongress und dem deutschem Bundestag, kurz CBYX. Die Parlamente beider Länder fördern dieses Programm, bei dem die jungen Leute die Sprache des Gastlandes lernen, dort studieren, berufliche Kenntnisse erwerben und in Gastfamilien einen Eindruck vom Alltag in der fremden Kultur bekommen. In einer Erklärung verweisen viele der Teilnehmer auf die Risiken des internationalen Reisens, von dem sowohl das US-Außenministerium als auch das Auswärtige Amt dringend abraten. Dazu kommen die Unsicherheiten, vor denen sie beim vorzeitigen Abbruch ihres Austausches stehen würden. 

BdTD Deutschland | Sonnenuntergang in Köln
Die Stipendiaten hatten sich auf den Frühling in Deutschland gefreut. Dann kam CoronaBild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

"Hier geht es um meine Zukunft"

Gegenüber der Deutschen Welle kritisierten CBYX-Teilnehmer, dass sie ihre Unterkunft, ihre Krankenversicherung und ihre Arbeit in Deutschland verlieren würden. "Ich habe einen Vertrag für ein Praktikum unterschrieben, aus dem später eine feste Anstellung in einer Frankfurter Anwaltskanzlei für Asyl- und Ausländerrecht geworden wäre", erklärt Mary Pat Taylor. Die 25-jährige aus Pittsburgh führt weiter aus, durch die Kanzlei hätte sie eine Aufenthaltsberechtigung in Deutschland bekommen. Jetzt aber sei das Visum der Austauschteilnehmer sofort beendet worden. Es bleibe ihnen deshalb nichts anderes übrig, als das Land zu verlassen. "Wenn mir das Austauschprogramm die Möglichkeit gegeben oder mich dabei unterstützt hätte, mir Alternativen zu überlegen, hätte ich vielleicht die Zeit gehabt, über eine Firma eine Aufenhaltsberechtigung zu bekommen und mich gleichzeitig um das Visum zu kümmern", so Taylor. "Hier geht es um meine Zukunft". Ihre kurzfristigen Berufsaussichten in den USA hält sie für "miserabel".

Zur Rückkehr gezwungen

Fast alle Teilnehmer, mit denen die Deutsche Welle sprach, haben Verständnis dafür, dass die Organisatoren des Programms es mit außergewöhnlichen Umständen zu tun haben und unter enormem Zeitdruck stehen. Doch sie bemängeln, man habe sie teilweise widersprüchlich informiert und bemühe sich nicht genug, ihre Situation zu verstehen.  Außerdem blieben nur wenige Tage zwischen dem offiziellen Abbruch des Austauschprogramms und der Organisation des Rückfluges. Die deutsche Gruppe in den USA war bereits wenige Tage nach der Abbruch-Entscheidung nach Hause geflogen. 

Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger an Deutsche Flughäfen
Mehr Polizisten als Passagiere: Der Frankfurter Flughafen in Zeiten der PandemieBild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Das US-Außenministerium und der Bundestag hätten beschlossen, das Programm auf beiden Seiten zu beenden, erklärte ein Sprecher der amerikanischen Botschaft in Berlin der Deutschen Welle. "Beide Länder konnten keine angemessene Austauscherfahrung mehr bieten”, so der Sprecher.

Auf die Frage nach dem Visum erklärte ein Sprecher des Bundestages lediglich, mit der Beendigung des Austauschprogramms verlören die Teilnehmer das Recht, sich weiter im Gastland aufzuhalten. "Die US-Behörden baten dringend darum, dass ihre Staatsbürger zurückkehrten."

Aus der Quarantäne in die Quarantäne

Fast alle amerikanischen Teilnehmer sind inzwischen in die USA zurückgekehrt. Eine Ausnahme ist Will Thomas. Der 22-jährige aus Georgia bleibt in Quarantäne, im süddeutschen Tübingen. Er war bei seiner Arbeit dem Coronavirus ausgesetzt. Das Austauschprogramm hat  kurzfristig die Miete für seine Unterkunft übernommen, so Thomas gegenüber der Deutschen Welle. Seine Gastfamilie habe ihn bisher mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs versorgt.

Will Thomas CBYX Präsentation
CBYX Teilnehmer Thomas, bevor Corona ihn in Quarantäne zwangBild: Will Thomas

"Das Frustrierende für uns alle ist die fehlende Transparenz und dass wir herumgeschubst werden, ohne dass wir wissen, wer die Entscheidungen trifft”, sagt Thomas über die Entscheidung des Programms, dass alle zurückkehren müssen.

Thomas sagt, er sei am 14. März auf das Coronavirus getestet worden. Nach tagelanger Verzögerung erfuhr er, dass er zusammen mit weiteren 2000 Personen getestet worden sei. Nach Behördenangaben vom Sonntag waren diese Tests aber wegen Laborfehlern ungültig. Am Montag sagte er der Deutschen Welle jedoch, das Gesundheitsamt habe ihn erneut angerufen und ihn informiert, dass der Test doch erfolgreich verlaufen sei. Thomas ist positiv, auch wenn er keine Symptome hat. Wenn sich bis kommenden Samstag keine Symptome zeigen endet seine Quarantäne endet und der 22-jährige kann reisen.

"Ich bin bereit zurück zufliegen", sagt Thomas. Das wird aber wohl bedeuten, dass er wie die anderen Teilnehmer des Austauschs auch nach seiner Rückkehr für zwei weitere Wochen erneut in Quarantäne muss.

Einige der Teilnehmer begeben sich in Hotels selbst in Quarantäne - entweder weil sie durch die Reisebeschränkungen schlecht nach Hause kommen. Oder weil sie das Virus nicht an Freunde und Angehörige übertragen wollen, falls sie sich in Deutschland angesteckt haben.

Schwierige Heimkehr

Für solche Kosten kommt das Austauschprogramm nicht direkt auf. Es hilft aber mit einem Stipendium von 5000 Dollar (4640 Euro). Das Geld ursprünglich für Reise- und Gesundheitskosten gedachte Geld ist natürlich hoch willkommen. "Aber 5000 Dollar reichen nicht, wenn man Essen, Unterkunft und Krankenversicherung zusammen rechnet", kritisiert die Teilnehmerin Abby Phelps. Angesichts immer weniger Flüge und zunehmender Reisebeschränkungen beschloss sie, wie etwa zehn andere Teilnehmer, ihren Rückflug selbst zu organisieren, statt auf die Organisatoren des Austauschprogramms zu warten. Die Folge ist, dass nun auf den Kosten des Rückfluges sitzen bleibt.

USA New York Citiy | Coronavirus
Die Stipendiaten kehren zurück in eine durch Corona fast fremde HeimatBild: Reuters/M. Segar

"Ich wollte zurück zu meiner jüngeren Schwester,” begründet die 22-jährige ihren Schritt. Beide sind jetzt bei ihren Eltern in North Carolina in Selbstquarantäne. "Das ganze Reisen ist natürlich nicht gerade gut, wenn man die Ausbreitung des Virus verhindern will", sagte sie.

Cultural Vistas, die auf US-Seite im Auftrag des US-Außenministeriums das Austauschprogramm organisiert, lehnte eine Stellungnahme ab. In einer Erklärung auf ihrer Webseite vom 12. März heißt es: "Gesundheit und Wohlbefinden unserer Austauschteilnehmer, Gastfamilien und Mitarbeiter sind uns äußerst wichtig."

Der Ansprechpartner des Austauschprogramms auf der deutschen Seite, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, lehnte ebenfalls eine Stellungnahme ab. Die Teilnehmer lobten allerdings allgemein die Unterstützung der GIZ bei Gesundheitsfragen oder wenn es darum ging, Mietverträge vorzeitig zu kündigen.

Die Rückflüge gingen alle von Frankfurt am Main. Für Teilnehmer wie Tessa Fenstermaker, die in Berlin lebte, bedeutete das, dass sie mit dem Zug etliche hundert Kilometer nach Frankfurt fahren musste. Nach der Ankunft in den USA ging es für die 21jährige aus Cleveland, Ohio, mit einem Anschlussflug weiter. Während der Quarantänezeit will sie bei Freunden wohnen. "Wir kehren zu einem Ort zurück, den wir vielleicht nicht wiedererkennen”, sagte uns Fenstermaker vor ihrer Abreise.