Gefangen im Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran
10. November 2017Der überraschende Rücktritt von Libanons Ministerpräsident Saad Hariri hat nicht nur für Aufruhr beim politischen Establishment des Landes gesorgt, sondern befeuert auch den ohnehin weiter eskalierenden Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran.
Der sunnitische Muslim Hariri hatte am vergangenen Wochenende aus Saudi-Arabien heraus bekannt gegeben, er werde sein Amt niederlegen. Seine Begründung: Iran habe sein Land zu fest im Griff und er habe sich seines Lebens nicht mehr sicher gefühlt.
In Riad haben einflussreiche Politiker der vom Iran unterstützten schiitischen Gruppe Hisbollah vorgeworfen, den Libanon destabilisieren zu wollen. Thamer Al-Sabhan, Minister für die Golf-Region, warf Hisbollah vor, an "Aggressionen" beteiligt gewesen zu sein, die einer "Kriegserklärung gegen Saudi-Arabien gleichkommen".
Hisbollah wiederum wirft Riad vor, sich in die internen Angelegenheiten des Libanons einzumischen - Hariris Rücktritt sei "eine Entscheidung der Saudis [gewesen], die dem Ministerpräsident auferlegt wurde".
Gerüchte, Hariri würde in Saudi-Arabien festgehalten, bestätigten sich bislang nicht.
Das Hin und Her um Hariri könnte ein Zeichen sein, dass der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem schiitisch geprägten Iran immer weitere Kreise im Nahen Osten zieht – nach Jemen und Syrien könnte der Konflikt nun auch im Libanon ausgetragen werden.
Fragile Balance der Macht
Das politische System des Libanons ist darauf ausgerichtet, Stabilität zu wahren durch eine gleichmäßige Verteilung von Macht auf die wichtigsten religiösen Gruppen des Landes.
Der Präsident des Landes ist immer ein maronitischer Christ, der Ministerpräsident ein sunnitischer Muslim und der Parlamentssprecher ein schiitischer Muslim. Dies sieht die Vereinbarung von 1943 vor, die dem Libanon die Unabhängigkeit von Frankreich zusagte. Das System funktioniert seit 1990 relativ harmonisch - zuvor hatten sich unterschiedliche Gruppen jedoch über 15 Jahre lang in einem Bürgerkrieg bekämpft. Doch auch in den 2000er Jahren gab es noch blutige Zwischenfälle.
Der Vater von Saad Hariri kam 2005 bei einem Anschlag ums Leben. Rafik al-Hariri war selbst 10 Jahre lang Ministerpräsident gewesen. Nach langen Ermittlungen verurteilte ein UN-Tribunal vier militante Hisbollah-Mitglieder. Die Gruppe streitet jedoch alle Schuld ab.
"Forscher geworden in ihrer Außenpolitik"
Im Jemen konnte Saudi-Arabien bisher wenig Erfolge feiern mit einer Militärintervention gegen vom Iran unterstützte Huthi-Rebellen. Auch in Syrien haben von den Saudis unterstützte Rebellen Verluste einstecken müssen gegen die Regierung von Bashar al-Assad, die von Russland und dem Iran unterstützt wird.
Versuche, im Libanon Einfluss zu gewinnen, könnten auch nach hinten losgehen,"wie in Syrien", befindet Yezid Sayigh, der am Carnegie Middle East Center in Beirut forscht..
Sayigh sagt der DW, Saudi-Arabien könnte "im Libanon am Ende eine Krise auslösen, die das Gegenteil der von Ihnen angestrebten Ziele hervorbringt". Vor allem deshalb, weil der Iran sofort reagieren würde, wenn er seine Interessen bedroht siehst.
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"Die Saudis sind immer zurückhaltend gewesen in ihrer Außenpolitik – sie haben versucht, Allianzen zu schmieden, soft power, also sanftere Machtmittel und keine militärische Gewalt zu nutzen, so Sayigh. "In den letzten paar Jahren aber haben sie ihr Gewicht verlagert, sie üben mehr wirtschaftlichen und militärischen Druck aus, sie sind forscher geworden in ihrer Außenpolitik. Das Problem dabei ist, dass seit zwei Jahren jemand Macht ausübt, der sehr wenig Erfahrung hat und unverfroren ist - was nicht immer schlecht ist, aber dieser Unverfrorenheit hat bereits einen verheerenden Krieg im Jemen ausgelöst. Die Konsequenzen daraus werden Saudi-Arabien langfristig prägen."
Riad an Washington
Sollte die Krise im Libanon in Gewalt umschlagen, könnten auch die Vereinigten Staaten und Israel weiter in die Konflikte in Nahen Osten hinein gezogen werden. Israelische, saudische und US-amerikanische Regierungsmitglieder sehen Iran als die größte Quelle von staatlich unterstütztem Terrorismus in der Region.
Saudi-Arabien liegt viel daran, dass Iran als die Hauptquelle der Konflikte in der Region gesehen wird, vor allem angesichts dessen, dass US-Präsident Donald Trump sich klar gegen den Iran positioniert hat. Die USA bezeichnen Hisbollah als "Terrorgruppe".
Für Israel, dass im Norden eine Grenze mit dem Libanon teilt, könnte ein wachsender Einfluss von Hisbollah ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Die kommenden Wochen und Monate könnten entscheidend sein für die Lage im Nahen Osten, sagt Sayigh – besonders, sollte Washington beschließen, Sanktionen gegen den Iran zu verschärfen.