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Kroatien: Neue Regierung, alte Defizite

17. Januar 2008

Das kroatische Parlament hat am Samstag (12.1.) für das neue Kabinett von Premier Ivo Sander gestimmt. Als Reaktion aus Brüssel kamen nicht nur Glückwünsche, sondern auch Reformforderungen an den EU-Beitrittskandidaten.

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Sander in 2. Amtszeit vor neuen HerausforderungenBild: AP

Kroatien hat fast zwei Monate nach den Parlamentswahlen eine neue Regierung bekommen. Neuer Premier ist der alte Amtsinhaber und Vorsitzende der nationalkonservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), Ivo Sanader. 82 Abgeordnete von insgesamt 153 stimmten im Sabor, dem kroatischen Parlament, für die Regierung von Sanader, 62 dagegen. Die HDZ erhielt 66 Sitze und musste daher mit kleineren Parteien koalieren. Die Koalition stellt diesmal 83 Abgeordnete. Da in der jetzigen Legislaturperiode weniger HDZ-Abgeordnete im Parlament sind als in der letzten, hängt diese Partei stärker von den kleinen Koalitionspartnern ab. Mit dabei sind die Sozialliberalen, die Bauernpartei und die Vertreter der Minderheiten. Interpretationen zufolge sind harte Verhandlungen und klare Forderungen der Koalitionspartner auch der Grund dafür, dass es diesmal vier stellvertretende Ministerpräsidenten gibt, weil alle Koalitionspartner zufrieden gestellt werden mussten. Staatspräsident Stipe Mesic kritisierte diesen Zuwachs an Posten und sagte, dies erinnere an China zu Zeiten Mao Tse-tungs, wo es sogar 16 Vize-Regierungschefs gab. Dies hätte allerdings nicht gewährleistet, dass diese effizient gearbeitet hätten, so Mesic.

Erster serbischer Vize-Premier

Begrüßt wurde dagegen, dass erstmals seit der kroatischen Unabhängigkeit ein kroatischer Serbe Vize-Premier geworden ist. Slobodan Uzelac von der Unabhängigen Demokratischen Serbischen Partei ist zuständig für regionale Entwicklung, Wiederaufbau und Flüchtlingsrückkehr. Andrea Feldman, Leiterin des Instituts für Demokratie in Zagreb, meint, es sei durchweg positiv zu bewerten, dass nun ein Serbe in der Regierung Sanader vertreten sei. Dies legitimiere die Regierung zusätzlich und wäre zur Zeit des ersten kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman, ebenfalls von der HDZ, undenkbar gewesen. Zudem zeichne sich Uzelac aus durch hohe Bildung, diplomatisches Geschick und Ansehen in der Öffentlichkeit, so Feldman.

Kritik aus Brüssel

Zu den Glückwünschen für Sanaders neues Kabinett gesellte sich auch Kritik von der EU. Brüssel bemängelt die Fähigkeit Zagrebs, Reformen auf dem Weg zum EU-Beitritt umzusetzen. Besonders scharf kritisiert wurde, dass Kroatien trotz der Warnung von EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn im Januar dieses Jahres eine Fischerei-Schutzzone in der Adria ausgerufen hat, womit das Land praktisch seine Hoheitsgewässer vergrößert habe. Rehns Pressesprecherin, Kisztina Nagy, forderte die neue kroatische Regierung auf, sich umgehend mit dieser Frage zu befassen. Von dieser Schutzzone sind die EU-Mitglieder Slowenien und Italien betroffen. Kroatien riskiere negative Konsequenzen für die Beitrittsverhandlungen, hieß es aus Brüssel. Slowenien, das im ersten Halbjahr dieses Jahres EU-Ratspräsident ist, hat schon damit gedroht, die Beitrittsverhandlungen Kroatiens zu blockieren. Mit der Diskussion um die Schutzzone bahnt sich auch das erste Problem in der neuen Koalition an, weil die Bauernpartei bei den Koalitionsverhandlungen ausdrücklich auf der Schutzzone bestand und diese auch im Koalitionsvertrag berücksichtigt ist.

Reformstau blockiert Beitrittszeitplan

Brüssel bemängelt ferner, dass sich die Justizreform verzögert und dass nicht ausreichend und entschieden gegen die Korruption im Lande vorgegangen werde. Die Kommission kündigte zudem an, dass Hilfsprogramme wie PHARE und IPA in Höhe von 140 Millionen Euro wegen schleppender und unprofessioneller Verwaltungsstrukturen eingefroren würden. Verzögerungen und Reformstau räumte zwar auch der kroatische Regierungschef ein, begründete dies aber mit dem Wahlkampf, beziehungsweise mit der Tatsache, dass Kroatien wegen der Wahlen seit Oktober vergangenen Jahres von einer Regierung mit einem so genannten technischen Mandat geleitet wurde. Sanader kündigte jedoch an, dass sein neues Kabinett „den fünften Gang einlegen wird“, weil er alle Mittel nutzen möchte, die die EU Kroatien zur Verfügung stellt. Ehrgeiziges Ziel des Landes war und ist es, bereits 2009 EU-Mitglied zu werden. Dem Kroatien-Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Hannes Swoboda, zufolge wird Kroatien auch 2011 den EU-Beitritt verpassen, wenn es die von der EU geforderten Reformen nicht beschleunigt.

DW-Kroatisch