Es ist kein Erdbeben, aber ein Trend mit Ankündigung. Die CDU gewinnt, die SPD lässt Federn - und wie! Und die FDP feiert Party. Erwartbar war der nur kleine Erfolg der AfD. Und dass die Grünen in einem ihrer Kernländer auf politische Bonsai-Größe zusammenschrumpfen - nun ja, auch das ist keine Überraschung. Aufs Ganze gesehen ist der Wählerwille im Westen Ausdruck einer Konsoldierung rund um die ruhige Mitte.
Die Fakten sind eindeutig: Die CDU gewinnt zum zweiten Mal das große Nordrhein-Westfalen in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten. Und das mit einem wenig begeisternden Armin Laschet (im Artikelbild oben), dessen menschliche Qualität, ein netter Kerl zu sein, schon sein größter politischer Bonus im schlaffen Wahlkampf war. Aber: Der lasche Armin hat es gepackt und die Frage wird nun lauten: Wie hat er das geschafft? Die Antwort darauf fällt zweigeteilt aus und hat dennoch einen Zusammenhang. Nicht von ungefähr gelten nordrhein-westfälische Landtagswahlen als echte Testwahlen für den Bund. Schon gar, wenn sie viereinhalb Monate vor den Bundestagswahlen über die Bühne gehen. Im CDU-Sieg an Rhein und Ruhr steckt ganz viel Angela Merkel. Naiv ist der, der das nicht herausliest.
Infiziert durch globale Phänomene
Seit Wochen hat sich die Stimmung im Land verändert. Klassische Landesthemen wie der Stundenausfall an NRW-Schulen, die hohe Kriminalitätsrate und die miese Aufklärungsquote, die Staus auf Deutschlands größten Parkplätzen, auch bekannt als Autobahnen - sie spielten eine Rolle, aber nur eine Nebenrolle. Diese Landtagswahl wurde bestimmt von den großen internationalen Stimmungen. Unter dem Eindruck einer hochkranken EU, deren Gesundheitszustand durch den Virus namens Brexit noch einmal von zusätzlichen Fieberschüben angekratzt wurde, von Rechtspopulisten in Polen, Ungarn, Österreich, Frankreich, von Donald Trump, der als unberechenbarer Politclown die Welt mal belustigt, meistens aber verschreckt. Nie zuvor ist eine Landtagswahl so infiziert worden durch globale Phänomene, die beunruhigen.
Und die NRW-Wahl ist eine Antwort auf die populistischen Strömungen um uns herum. Die Wähler lassen sich nach Jahren der eingeschlafenen Wahlhand wieder mobilisieren. Es profitieren nicht die politischen Ränder, der Zug der Zeit fährt wieder Richtung Mitte. Die SPD ist an diesem Wahlabend das größte Opfer. Nicht weil sie nicht mittig genug ist, nein, weil sie im Abgleich der Wähler nur die zweite Vertrauensinstanz hinter der Merkel-Union ist. Das ist umso bemerkenswerter, als die SPD sozusagen im eigenen Wohnzimmer von der CDU vorgeführt wurde. Das lässt tief blicken auf die Abstimmung im September. Martin Schulz, der so schnell wie überraschend die sozialdemokratische Lethargie nach seiner Kandidatur kassiert und einen regelrechten Martin-Kult ausgelöst hatte, ist noch vor dem Hauptwahlkampf um Berlin vorläufig am Ende. Und auch hier zeigt sich wieder die alte Merkel-Stärke: nichts bis wenig tun, ruhig bleiben, die anderen die Fehler begehen lassen. Drei Landtagswahlen in diesem Jahr, dreimal gewinnt die Union, davon zweimal aus der Opposition heraus. Die SPD ist wieder da, wo sie seit Jahren ist: auf dem Tiefpunkt.
Nicht zu viel Furcht vor der AfD
Und es gibt andere Effekte. Monatelang haben wir fast nur die Frage gestellt, mit welcher Zweistelligkeit die rechten Populisten der AfD auch das größte Bundesland entern und damit für politische Destabilität sorgen werden. Nun kommen sie ohne Pauken- und Trompetenlärm einfach nur drüber über die Fünfprozenthürde. Sie sind nun in der ganzen Republik eine Größe, aber keine, vor der man sich allzu sehr fürchten müsste.
Dass die Grünen ihre Anziehungskraft verloren haben, ist mit den fehlenden Themen im West-Wahlkampf nur unzureichend erklärt. Eine Partei, die seit Sommer 2015 einer konservativen Kanzlerin in ihrer Flüchtlingspolitik "da capo, da capo" zuruft, zahlt letztlich Lehrgeld dafür, dass die politische Konkurrenz Applaus für das kassiert, was sie selbst gerne gemacht hätten: Flüchtlinge rein zu lassen, menschlich zu sein. Es ist nun mal so: Merkel holt sich bei anderen Parteien das zurück, was sie in ihrer eigenen CDU durch ihre Kritiker eingebüßt hat.
Großprojekt Jamaika
Aber gemach: Vielleicht kommt es für die Grünen doch noch dazu, aus der Niederlage heraus einen Coup zu landen. Nach Lage der Dinge hat die CDU mit der wieder erstarkten FDP noch keine absolute Mehrheit. Mit den Grünen könnte Jamaika zum politischen Großprojekt werden. Tief im Westen wurde schon immer gerne politisch experimentiert. Warum nicht jetzt? Es ist längst Zeit, Neues zu wagen. Um Gottes Willen, keine Große Koalition. Die Grünen hatten sich schon vorher gegen Jamaika ausgesprochen. Doch höhere Ziele warten. Im Bund könnte ein solches Dreierbündnis bald unausweichlich sein in Zeiten, in denen sechs statt vier Parteien parlamentarisch sind.
Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!