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Rette sich, wer kann

Domitille Kiramvu / ps4. August 2015

Nach seinem Wahlsieg darf Burundis Präsident Pierre Nkurunziza offiziell nicht ohne die Opposition regieren. Doch die ist uneins. Um das Chaos zu überwinden, braucht es politische Größe, meint Domitille Kiramvu.

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Domitille Kiramvu
Bild: DW

Trotz aller Proteste in der burundischen Bevölkerung, trotz der Kritik und Missbilligung der internationalen Gemeinschaft hat er es geschafft: Pierre Nkurunziza hat seine Kandidatur für eine dritte Amtszeit durchgezogen. Die Wahlen wurden im Handumdrehen organisiert. Abgestimmt wurde in einem Klima der Anspannung und Angst, Menschenrechte wurden missachtet.

Nkurunzizas Gegner müssen sich jetzt beugen und nach einer (Er-)Lösung suchen. Die Opposition und andere Akteure debattieren über mögliche Auswege. Aber von einem Konsens - oder gar einer Einigung - sind sie weit entfernt.

Dazu kommt das Zaudern der Vermittler, die zunächst energisch eingeschritten waren, nur um sich schließlich an der Verlogenheit der Regierung die Zähne auszubeißen. Denn die denkt gar nicht daran, das Flehen des Volkes zu erhören.

Nachlese

Rette sich, wer kann! - so lautet die Devise in diesem Chaos. Allianzen werden geschmiedet und wieder aufgelöst, je nachdem, woher gerade der Wind weht und wer die Oberhand hat. Lösungsansätze werden entwickelt, von denen einer flüchtiger, illusorischer oder waghalsiger ist als der andere. Und die ganze Zeit drängt die Frage: Wie konnte es nur soweit kommen? Zu viel Blut ist schon geflossen, zu viele Menschen wurden ermordet oder verhaftet, zu viele unschuldige Bürger in die Flucht getrieben. Wie viele Einschüchterungsversuche, Erniedrigungen und Entbehrungen muss das burundische Volk noch hinnehmen? Und wer trägt die Schuld? Der Machthaber oder seine unfähigen Herausforderer? Schon wird miteinander abgerechnet: mal anklagend, mal rechtfertigend, mal schuldbewusst wie reuige Sünder.

Unsichere Zukunft

Wie kann die Antwort auf die derzeitige Situation lauten? Soll eine Übergangsregierung her, eine Regierung der nationalen Einheit, ein Rat, der die Einhaltung des Arusha-Abkommens und die Unabhängigkeit des burundischen Rechtsstaats überwacht? (Anm. d. Red.: Ein solcher Rat wurde am 2.8.2015 in Addis Abeba von der Exil-Opposition gegründet). Oder bleibt nur der bewaffnete Kampf bis ans bittere Ende? Ein Staatsstreich? Weitere Verhandlungen wären eine Option - aber wer soll sie führen? Oder wären weitere internationale Sanktionen angebracht, um der arroganten Mafia der Machthaber in Bujumbura die Luft abzuschnüren?

All diese Lösungen haben zwei Dinge gemeinsam: Auf der einen Seite die Wut über den offenkundigen Bruch der Verfassung durch eben diejenigen, die dem Schutz des Grundgesetzes verpflichtet sein sollten. Auf der anderen Seite die Abwesenheit einer geschlossenen Opposition, die die verschiedenen Initiativen zusammenführen und ihnen Gehör verschaffen könnte.

Schmerzlich erfahren das die zahlreichen Opfer des Regimes - eines Regimes, das die Uneinigkeit seiner Gegner für Ränkespiele ausnutzt, um diese gänzlich zu Fall zu bringen.

Viele Spielführer

In diesem Chaos sieht sich jeder Einzelne in der Rolle des Spielführers. Die ehemaligen Handlanger des Regimes, die das widerliche System aktiv mit aufgebaut haben, legen sich den Mantel der politischen Jungfräulichkeit um. Ex-Politiker erinnern an die guten Zeiten ihrer Herrschaft und vergessen, dass sie damals selbst vom Volk für ihre autoritären und freiheitsraubenden Auswüchse abgestraft wurden. Politische Neulinge und Emporkömmlinge versprechen uns das Blaue vom Himmel. Das ist das wenig idyllische Bild der Verfechter des Umbruchs in unserem Land!

Bleibt zu hoffen, dass mit der Zeit der politische Realismus über Schurkenschaft, Egoismus und irreführende Spekulationen siegt - und dass sich am Ende Größe und Haltung durchsetzen.

Domitille Kiramvu hat bis zum Ausbruch der Proteste gegen Präsident Pierre Nkurunziza für die DW aus Burundi berichtet. Dann ist sie geflohen. Jetzt lebt sie in Belgien.