In diesen angeblich schönsten Wochen des Jahres ist halb Deutschland unterwegs. An die Strände Italiens, in die Provence nach Südfrankreich, in die Berge Österreichs. In diese Urlaubsgebiete fahren die Deutschen oft und gerne mit dem Auto. Dann müssen deutsche Autofahrer etwas tun, was sie von zu Hause nicht kennen: Bezahlen, bevor es auf die Piste geht. Geht's nach Österreich oder in die Schweiz, muss man sich vor der Einreise einen Aufkleber für die Windschutzscheibe kaufen. In Frankreich und Italien wird bei jeder Auffahrt auf die Autobahn eine Mautgebühr fällig, zumindest auf einem Großteil der Strecken.
In Österreich betreibt die Autobahnen ein staatliches Unternehmen namens "Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft", in Frankreich und Italien sind es private Konsortien, die die mautpflichtigen Abschnitte betreiben. Wer aber macht seinen Job besser? Die öffentlichen oder die privaten Betreiber? Darauf gibt es keine klare Antwort. Das österreichische Autobahnnetz ist top in Schuss. Das französische, sofern in privater Hand, ebenfalls. Aber wehe, man fährt abseits der teuren, aber vergleichsweise leeren "Péage"-pflichtigen Strecken lieber auf den überfüllten Schnellstraßen: Das ist dann eine Teststrecke für die Stoßdämpfer.
Mit Benetton durch Italien
Ähnlich verhält es sich auf einem Großteil der italienischen Autobahnen. Die sind zu fast 90 Prozent in privater Hand, vor allem in der des einstigen Modekonzerns Benetton. Der jetzt schwer in die Kritik geratene (und der Familie Benetton gehörende) Autobahnbetreiber Atlantia hat zwar vier Milliarden Euro in das Prestigeprojekt am Apenninenpass gesteckt und einen hochgefährlichen Autobahnabschnitt auf der A1 zwischen Bologna und Florenz komplett neu konzipiert und gebaut. Aber für den Rest des Autobahnnetzes mit seinen unglaublich vielen Tunnels blieb dann eben nicht viel übrig. Entsprechend mies ist die Qualität der Autobahnen in vielen anderen Teilen des Landes.
Aber nun mit der Verstaatlichung der Autobahnen zu drohen, ist ziemlicher Humbug und kann nur als hilflose Kurzschlussreaktion des Vize-Premiers gewertet werden. Gerade die Italiener müssten doch wissen, dass das kein Erfolgsrezept ist. Als das Land die Autobahnen vor bald 20 Jahren in private Hände gab, war die staatliche Straßenbaugesellschaft namens Anas versunken in einem Sumpf aus Misswirtschaft und Korruption und vermutlich fest in der Hand der Mafia. Und gerade das hoch verschuldete Italien dürfte nicht wirklich die Milliarden haben, die dringend in die Infrastruktur investiert werden müssten.
Deutschlands bröselnde Infrastruktur
Investiert werden müsste auch dringend in Deutschland. Hier, wo man mit dem Kampf gegen die Pkw-Maut schon Wahlkämpfe bestritten hat. Deutschland schiebt einen gewaltigen Investitionsstau vor sich her: Es fehlen jährlich sieben bis zehn Milliarden Euro für die Verkehrs-Infrastruktur; das hat Marcel Fratzscher ausgerechnet, der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW. Aber genauso schlecht sieht es auch in anderen Bereichen aus: wenn es um marode Schulen geht und nicht vorhandene Glasfasernetze. Was die Autobahnen betrifft, so sind die deutschen Strecken fest in staatlicher Hand; neuerdings probiert man sich aber immerhin in Gemeinschaftsprojekten mit privaten Unternehmen. Aber ein Erfolgsmodell ist auch das nicht, weil - wie Kritiker sagen - die meist sehr lange Vertragslaufzeit von 30 Jahren die Kosten nur nach hinten verschiebt und es am Ende doch auch bloß teurer wird.
Wir lernen also: Ob staatlich oder privat, das macht beim Straßenbau am Ende wenig Unterschied. Das allerwichtigste ist, dass der Staat seiner Kontrollfunktion für die Infrastruktur nachkommt - und Mängel möglichst rasch beseitigt werden. Auch an Deutschlands Brücken wurde zwar regelmäßig kontrolliert, aber oft viel zu spät damit begonnen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Bauwerke fit zu machen vor allem für den immer weiter zunehmenden Lkw-Verkehr. Die Konsequenzen sind heute zum Beispiel zu besichtigen auf der berühmt-berüchtigten Autobahnbrücke über den Rhein bei Leverkusen, wo mit einem gigantischen Aufwand versucht wird, schwere Lkw von der Brücke fernzuhalten, damit der Bau noch so lange hält, bis die neue Brücke endlich fertig ist. Das wird frühestens in zwei Jahren sein.