EU weist italienische Vorwürfe zurück
16. August 2018EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat Vorwürfe aus Italien wegen der Genua-Katastrophe zurückgewiesen. "Es ist sehr menschlich, einen Schuldigen zu suchen, wenn ein schreckliches Unglück wie in Genua passiert", schrieb der CDU-Politiker auf Twitter. "Trotzdem gut, sich die Fakten anzuschauen." In den vergangenen sieben Jahren habe Italien 2,5 Milliarden Euro an EU-Regionalhilfen für Straßen und Bahnen bekommen sowie zwölf Milliarden Euro aus dem EU-Investitionsprogramm. Darüber hinaus habe die EU italienische Investitionen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro gebilligt.
Seine Gedanken seien nun vor allem bei den Opfern des Unglücks und deren Familien. "Es wird wichtig sein zu verstehen, was passiert ist, um eine weitere derartige Katastrophe zu vermeiden", schrieb Oettinger. "Ich vertraue darauf, dass die italienischen Behörden alle nötigen Maßnahmen ergreifen."
Die eingestürzte Autobahnbrücke in Genua war zudem Teil eines europäischen Fernstraßennetzes und unterlag deshalb besonderen Prüf- und Sicherheitsauflagen der EU. Dies stellte ein Sprecher der EU-Kommission klar. Verantwortlich für die Umsetzung seien die italienischen Behörden. Die Brücke ist Teil des sogenannten TEN-T-Netzes, das schnelle Verbindungen innerhalb der ganzen EU sichern soll. Die besonderen Sicherheitsvorgaben sind in einem eigenen Regelwerk festgeschrieben.
"Die Sicherheit muss entsprechend den Vorgaben der EU-Richtlinie über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur sichergestellt, überprüft und wenn nötig verbessert werden", betonte der Kommissionssprecher. Bei privatisierten Straßen sei der Betreiber zuständig. Auch der Sprecher wies eine Mitverantwortung der EU zurück. EU-Staaten könnten politische Prioritäten im Rahmen der geltenden Haushaltsregeln selbst festlegen, sagte der Sprecher.
Die Kommission reagierte damit auf den italienischen Innenminister Matteo Salvini. Der hatte nach dem Brückeneinsturz einen Zusammenhang mit den strengen europäischen Defizitregeln hergestellt. Die Verkehrssicherheit in Italien dürfe davon nicht beeinträchtigt werden, verlangte er.
Während eines Unwetters war am Dienstag ein etwa hundert Meter langer Abschnitt des vielbefahrenen Polcevera-Viadukts in Genua eingestürzt und hatte etliche Fahrzeuge in die Tiefe gerissen. Rund 40 Menschen kamen ums Leben.
Die Staatsanwaltschaft in Genua befürchtet, dass sich noch zahlreiche Vermisste unter den Trümmern befinden. "Es könnte noch zehn bis 20 vermisste Personen geben", sagte der leitende Staatsanwalt Francesco Cozzi in der italienischen Hafenstadt. Cozzi hatte am Mittwoch die Zahl der Todesopfer auf 42 beziffert, während die Präfektur 39 bestätigte.
Die Suche nach möglichen weiteren Opfern oder Überlebenden läuft unterdessen weiter. Unterstützt durch Bagger und Kräne suchen die Rettungskräfte nach Hohlräumen, in denen sich noch Vermisste befinden könnten. "Wir suchen immer noch nach Hohlräumen, in denen Menschen sein könnten - lebendig oder nicht", sagte Feuerwehrsprecher Emanuele Gissi. "Letzte Nacht hatten wir kein Glück, wir haben niemanden gefunden." Spezialisten arbeiteten daran, die Trümmer in große Betonblöcke zu zerschneiden und mit Kränen abzutragen, um Spürhunde in den Schutt schicken zu können.
Die Hoffnungen, zwei Tage nach der Katastrophe noch auf Überlebende zu stoßen, schwinden indes. Am Samstag soll in der Messehalle Fiera de Genova eine Trauerfeier für die Opfer abgehalten werden.
stu/sam (dpa, afp)