Bei den linksradikalen Ideologen in der griechischen Regierung scheint kurz vor Ende des Countdowns doch noch so etwas wie Realitätssinn aufzuschimmern. Nachdem Ministerpräsident Tsipras sein Land fast in die Pleite gesteuert hat, die Wirtschaft wieder schrumpft, die Menschen ihr Geld abheben, die Banken schlingern und Touristen ihre Buchungen zurückhalten, haben sich die Spieler in Athen entschlossen, doch noch ein Angebot auf den Tisch zu legen, über das man verhandeln kann. Na endlich, möchte man ausrufen.
Dabei hätte es dieser Dramatik gar nicht bedurft. Die Lösung, die sich jetzt abzeichnet, hätte die griechische Regierung locker schon im April vereinbaren können. Durch ihre unsägliche Verhandlungstaktik hat sie bei den europäischen Partnern, beim Internationalen Währungsfonds, bei der Europäischen Zentralbank und auch bei ausländischen Investoren fast jedes Vertrauen verspielt. Dabei ist doch Vertrauen die einzige Ressource, die das ansonsten rohstoffarme Land eigentlich hat.
Langsam wird es lächerlich
Durch die viel zu späte Vorlage der Verhandlungsposition hat die griechische Regierung diesen Montag, der eigentlich der Tag der Entscheidung werden sollte, auch noch verplempert. Die Euro-Finanzminister zogen mehr oder weniger düpiert unverrichteter Dinge wieder ab, weil es keine entscheidungsreifen Papiere gab. Der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs, der eigentlich eine Bühne für den dramatischen Durchbruch bieten sollte, schrumpfte durch die unprofessionelle Regie zu einem "Beratungsgipfel". Das ist eine neue Kategorie, die Bundeskanzlerin Merkel mal eben aus dem Hut zauberte, um die peinliche Veranstaltung zu bemänteln. Wenn es nicht so traurig um Griechenland und die Euro-Zone stünde, könnte man darüber lachen.
Dem Ruf als Krisenmanagerin, der der dienstältesten Regierungschefin in Europa vorauseilt, konnte Angela Merkel nicht so richtig gerecht werden. Sie hatte wenig Antworten auf viele Fragen, wirkte ratlos. Alexis Tsipras ließ die europäischen Partner erneut warten, er führt sie am Nasenring durch die Manage. Er weiß genau, dass sie ihn am Ende nicht pleite gehen lassen, weil die Folgen für das Einigungsprojekt Euro wohl doch unkalkulierbar wären. Also noch eine Verhandlungsrunde, noch ein Gipfel am Donnerstag.
Derweil rückt die Stunde der Wahrheit immer näher, das drohende Ausscheiden aus der Eurozone nach dem 30. Juni. Wenigstens scheint die griechische Regierung begriffen zu haben, dass eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms abermals notwendig ist, um technisch überhaupt noch eine Auszahlung von Geldern zu ermöglichen. Das setzt voraus, dass es in den nächsten 48 Stunden eine Einigung gibt. Alexis Tsipras hat von den 18 übrigen Regierungschefs bildlich gesprochen einen ordentlichen Tritt in den Hintern bekommen. Er müsse jetzt mal Verantwortung übernehmen und könne nicht immer mehr Geld verlangen, hat die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite dem Griechen vorgehalten. Ob die Standpauke wirkt? Ob Alexis Tsipras mögliche Zugeständnisse zuhause durchsetzen kann? Niemand kann das mit Sicherheit sagen.
Nicht länger zu ertragen
Gewiss ist nur eines: Die griechische Tragödie ist lange noch nicht ausgestanden. Wenn es eine Einigung über das zweite Hilfsprogramm gibt, wird das Griechenland wegen der desolaten Lage seiner Finanzen nur einige Wochen über Wasser halten. Dann kommen erst die eigentlich schwierigen Verhandlungen über eine tragfähige Lösung für die Schuldenproblematik. Dann geht es um den wahrscheinlich nötigen Schuldenerlass, Stundungen und tiefgreifende Reformen an den staatlichen Strukturen in Griechenland. Das dicke Ende kommt also noch.
Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!