Griechisches Drama geht weiter
22. Juni 2015"Wozu braucht man dann noch ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten?" wollte ein verblüffter Journalist von Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem wissen. Der niederländische Finanzminister hatte gerade bekannt gegeben, dass Entscheidungen zu Griechenland von den Finanzministern der Euro-Gruppe auf das Ende der Woche verschoben werden. Dijsselbloem grinste breit als er antwortete: "Die Chefs können sich jederzeit treffen, wenn sie wollen. Wir haben die Lage beurteilt und sagen, wie wir das sehen. Natürlich können sie uns immer überstimmen."
"Das ist übermütig"
Das wird wohl nicht geschehen. Aus dem extra zur Lösung der Schuldenkrise anberaumten Sondergipfel am Abend in Brüssel wird statt "eines Entscheidungsgipfels" jetzt ein "Beratungsgipfel". Mit diesen Begriffen reagierte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihrer Abreise nach Brüssel auf die Verwirrung bei den Abläufen. Eigentlich hätte man den Sondergipfel der Euro-Zone auch absagen können, meinte ein EU-Diplomat, aber jetzt sei die Maschinerie schon einmal in Gange. Am Mittag zeichnete sich schon ab, dass die lang ersehnte Entscheidung über Finanzhilfen für Griechenland, das kurz vor dem Bankrott steht, wieder nicht fallen würde, wie schon seit vier Monaten. Schuld daran seien die Griechen, monierte der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling. "Man kann ja nicht nachts um zwei Vorschläge übermitteln und dann erwarten, dass wir mittags eine Entscheidung treffen. Das ist schon sehr übermütig." Verwirrung entstand auch, weil die gültige Version der Reformvorschläge aus Athen erst um sechs Uhr morgens nach einigem Hin- und Her in Brüssel einging. Verärgert von den Vorgängen zeigte sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. "Es liegen keine substanziellen Vorschläge vor. Ich sehe nicht, wie wir so einen Gipfel vorbereiten sollen." Gegenüber der letzten gescheiterten Euro-Gruppe am Donnerstag in Luxemburg sieht Schäuble keine Veränderung.
Basis für weitere Verhandlungen
Der Chef der Euro-Finanzminister, Jeroen Dijsselbloem, sah hingegen in seiner nur sieben Minuten dauernden Pressekonferenz zumindest eine Basis für die weiteren Verhandlungen mit Griechenland. "Das ist eine Gelegenheit. Wir müssen Geduld haben." Dijsselbloem kündigte an, dass die drei Institutionen Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds und EU-Kommission sofort mit der Überprüfung der Vorschläge aus Griechenland beginnen würden. Am Ende der Woche werde es dann erneut eine Sondersitzung der Euro-Finanzminister geben. Am Donnerstag und Freitag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU ohnehin zu ihrem regelmäßigen Gipfel. Ob die jüngsten Vorschläge der Links-Rechts-Koalition ausreichen werden, um die finanziellen Lücken zu füllen, die die Institutionen bisher ausgemacht hatten, ist unklar. Angeblich ist der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras jetzt doch zu Zugeständnissen bei hohen Renten und Mehrwertsteuersätzen im Tourismusgewerbe bereit. In neun Tagen endet das bereits zweimal verlängerte Hilfsprogramm für Griechenland, in dem noch 7,2 Milliarden Euro verfügbar wären. Ende Juni droht der Staatsbankrott oder eine Pleite der griechischen Banken, falls die Europäische Zentralbank die Notfallhilfen für die Banken nicht immer weiter verlängert. Die Griechen hatten in den letzten Tagen vermehrt Bargeld abgehoben und so die griechischen Geschäftsbanken in Schwierigkeiten gebracht.
Tsipras will im Euro bleiben
Am Vormittag hatte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras mit dem Präsidenten der EU-Kommission und Vertretern der Geldgeber in Brüssel gesprochen. Da sagte Tsipras noch, er wolle eine dauerhafte und substanzielle Lösung, "die es Griechenland erlaubt, zu Wachstum zurückzukehren, und zwar in der Euro-Zone." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war vor dem Gespräch nicht allzu optimistisch. "Wir sind noch nicht am Ziel", so Juncker. Tsipras hatte immer und immer wieder eine umfassende politische Lösung verlangt, die nach griechischer Auffassung auch eine Umschuldung oder einen Schuldenerlass enthalten sollte. Darüber wollen die Geldgeber aber erst nach Abschluss des laufenden Hilfsprogramms sprechen. Auch beim Sondergipfel der Euro-Gruppe am Abend werde darüber nicht verhandelt, meinte ein EU-Diplomat. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble soll die griechische Regierung aufgefordert haben, eine erneute Verlängerung des Hilfsprogramms zu beantragen. Sonst werde rein technisch eine Beschlussfassung oder gar eine Auszahlung von Hilfsgeldern fast unmöglich, so EU-Beamte.
EU soll Euro-Zone ausbauen und vertiefen
Am Tag der Entscheidung zu Griechenland, der dann doch keiner wurde, legten die fünf Präsidenten der wichtigsten EU-Instiutionen ihre Vorschläge zur Fortentwicklung der Euro-Zone vor. Das sollte wohl die Moral stärken, denn die Präsentation war eigentlich erst am Donnerstag vorgesehen. Die Präsidenten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank, Euro-Gruppe, Europäischem Rat und Parlament treten dafür ein, die Bankenunion zu vollenden, die Einlagen aller Europäer bei den Banken gemeinschaftlich zu sichern und einen europäischen Finanzminister zu schaffen. Die Reformvorgaben der EU-Kommission sollen verbindlichen Charakter bekommen. Die Hoheit über die nationale Haushaltspolitik soll aber bei den EU-Mitgliedsstaaten bleiben. Bis 2025 soll die Euro-Union verwirklicht sein. Über Veränderungen der EU-Verträge will man aber erst 2017 sprechen. Wenn klar sein wird, ob Großbritannien in der EU bleibt und wer nächster Präsident in Frankreich wird.
Und die Reisekosten?
Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling hatte wegen der kurzen und nach seiner Meinung sinnlosen Sondersitzung noch ein ganz anderes Anliegen. Er fragte sich, wem er die Reisekosten jetzt in Rechnung stellen könne? Griechenland etwa? Der finnische Finanzminister Alex Stubb stöhnte: "Das ist alles eine riesige Verschwendung von Flugmeilen, sowohl bei den Finanzministern als auch bei den Staats- und Regierungschefs."