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Politik

Die netten Brexiteers

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Birgit Maaß
1. Februar 2020

Dreieinhalb Jahre lang hat die Entscheidung für den Brexit die Welt in Atem gehalten. Nun ist Großbritannien raus aus der EU. Für Pro-Europäer ist es schwer, jetzt nicht bitter zu werden, meint Birigit Maaß.

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Symbolbild: Brexit
Bild: picture-alliance/Y. Mok

Die anderen haben gewonnen. So fühlt es sich an für viele Pro-Europäer in Großbritannien, zu denen auch ich gehöre. Vor dem Referendum gab es diese Aufteilung noch nicht. Erst der Brexit hat die Bewohner der Insel in zwei Lager aufgeteilt, und seit dem Referendum haben beide Lager immer tiefere Gräben um sich herum gezogen.

Als Journalistin ist es meine Aufgabe, die Gräben zu überwinden, mit allen zu sprechen. Mit Menschen wie Susan, die ich oft vor dem Parlament antraf, mit einem Schild "No Deal No Problem", und die mich auch am Brexit-Tag herzlich begrüßte: "Ist ein toller Tag heute, oder?"

Wie viele der freundlichen unter den Brexit-Befürwortern hatte mir auch Susan versichert, sie habe nichts gegen Europa oder die Europäer, sondern nur gegen "Brüssel" - für viele Brexit-Befürworter die Inkarnation des Bösen, ein bürokratisches Monster: "Wir lieben Europa und die Europäer, nur mit Brüssel wollen wir nichts zu tun haben."

Jetzt sind sie Brüssel los, "aus dem europäischen Gefängnis ausgebrochen". Freiheit. So ganz habe ich auch nach unendlich vielen Gesprächen und Interviews nie verstanden, woran genau "Brüssel" Susan und ihre Mitstreiter gehindert hat.

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Birigit Maaß ist DW-Korrespondentin in London

Nostalgie und Nationalismus

Viel ist in den letzten Wochen und Monaten über den englischen Nationalismus gesprochen worden, der sich in dem Brexit-Votum Bahn gebrochen hat. Über Nostalgie, das Zurücksehnen in eine Zeit, in der die Dinge noch einfach waren. Eine Zeit, in der Großbritannien noch Einfluss hatte in der Welt, ein Empire - über andere bestimmen konnte, statt sich in eine supranationale Struktur wie die EU einzugliedern, ein Rädchen im Getriebe.

Und jetzt? Die Brexiteere haben auf dem Vorplatz des Unterhauses bis zum Umfallen den patriotischen Song "Rule Britannia" gesungen. EU-Freunde haben bedeutungsvolle Schweigemärsche abgehalten und die Nacht durchgeschmollt. Nigel Farage und seine Kumpel hatten vermutlich die beste Party ihres Lebens.

Aber vielen Briten, selbst denen, die für den Brexit gestimmt hatten, ist nicht zum Feiern zumute. Viele sind verunsichert, wissen zum Beispiel nicht, ob sie auch nach dem Brexit-Tag problemlos auf den Kontinent reisen können (es ist vorerst kein Problem, denn in der Übergangsperiode bis zum Ende des Jahres bleibt alles beim Alten).

Jetzt nicht bitter werden

EU-Bürger sorgen sich um ihre Zukunft: Als ich die Betreiberin eines deutschen Delikatessengeschäftes nach ihren Sorgen fragte, brach sie plötzlich in Tränen aus, denn schon jetzt ist es für sie schwierig bis unmöglich geworden, geeignete Fachkräfte aus Europa einzustellen, sie sieht ihre Existenz gefährdet.

England Brexit-Vertrag Unterzeichung Boris Johnson
Immer optimistisch: Großbritanniens Premier Boris Johnson Bild: picture-alliance/dpa/A. Parsons

Für Pro-Europäer ist es schwer, jetzt nicht bitter zu werden. Die pressure groups haben ihre Schotten dicht gemacht, nur diejenigen, die sich speziell für Rechte von EU-Bürgern einsetzen, bleiben weiterhin aktiv. Die größte Oppositionspartei, die Labour-Partei, ist nach der Wahlniederlage im Dezember ausschließlich mit sich selbst beschäftigt.

Boris Johnson hat freie Hand, den Brexit nach seinem Willen zu gestalten. Zwar wird er nicht müde zu versprechen, sein wichtigstes Ziel sei es, das Land nun zusammenzubringen. Aber welcher pro-Europäer mag ihm das schon glauben, nach all den Lügen während des Referendums, nach all der Brutalität, mit der er sich seiner politischen Gegner entledigt hat.

"Little England" statt "Global Britain"

Dabei stehen Johnson und seine Regierung vor einem Berg voll Arbeit. Er muss nicht nur in Rekordzeit ein Freihandelsabkommen mit der EU abschließen, sondern auch strukturschwache Regionen fördern, und den vielen Unzufriedenen im Norden Englands, die für den Brexit gestimmt hatten, eine neue Perspektive aufzeigen.

Kein leichtes Unterfangen, wenn alle Vorhersagen darauf deuten, dass der EU-Austritt erhebliche wirtschaftliche Einbußen mit sich bringen wird. Und nebenbei noch das Königreich zusammenhalten, die separatistischen Schotten und die auf Vereinigung mit der Republik Irland erpichten nordirischen Nationalisten im Zaum halten.

Gelingt ihm das nicht, dann zahlt das Land einen hohen Preis für seine neue Unabhängigkeit. Zwar gibt es immer mal wieder Stimmen aus dem Brexit-Lager, die es für in Ordnung halten, wenn sich das Land in Zukunft auf England und Wales reduziert, und auch die Mehrheit der konservativen Parteimitglieder hielt den Brexit für wichtiger als den Zusammenhalt der Union. Aber "Little England" statt "Global Britain" als Ergebnis vom Brexit? Das wäre schon fast ironisch.

Traurige Remainer müssen sich derweilen auf urbritische Tugenden berufen: "Getting on with your life", pragmatisch nach vorne schauen, etwas anderes bleibt auch nicht übrig. Nicht vergessen, dass die meisten Brexit-Wähler freundliche Menschen sind wie Susan. Und Boris Johnson trotzdem weiter zur Verantwortung ziehen, selbst wenn es vorerst ohne spürbare Konsequenzen bleibt.

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Birgit Maaß UK-Korrespondentin