Das, was die katholischen deutschen Bischöfe bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda zur Entschädigung von Opfern sexueller Gewalt durch Kirchenleute diskutiert haben, war wichtig. Die katholische Kirche geht einen notwendigen und überfälligen Schritt. Bis zu diesem Moment dauerte es zu lange. Aber das Handeln kann dennoch beispielhaft für andere sein.
Vor knapp zehn Jahren brachen Opfer am Berliner Canisius-Kolleg ihr Schweigen über das erlittene Unrecht. Seitdem wurden tausende Fälle von sexueller Gewalt in der katholischen Kirche bekannt. Kirchenvertreter reagierten zunächst mit Empörung oder Beschämung, dann begann für sie ein langer und beschwerlicher Weg, sich mit dem Thema auseinandersetzen. Währenddessen verließen hunderttausende Katholikinnen und Katholiken enttäuscht ihre Kirche.
Erst einmal eine Studie in Auftrag gegeben
Typisch für katholische Bischöfe war, dass sie eine umfassende wissenschaftliche Studie in Auftrag gaben, deren Erstellung - nach anfänglich holprigem Start - vier Jahre brauchte. Das war für Betroffene eine Zumutung.
Aber die Arbeit der Wissenschaftler verhinderte, die Verbrechen zu verharmlosen. Und sie zeigte die systemischen Zusammenhänge im System auf. Wenn Papst Franziskus den "Teufel" für sexuellen Missbrauch verantwortlich macht, ist das in einem System, das Vertuschung und ablenkende Rhetorik souverän beherrscht, ebenso schlicht wie die Argumentation von Joseph Ratzinger, dem zurückgetretenen Papst Benedikt, "die 68er" seien verantwortlich. Das muss mindestens Opfer aus früheren Jahrzehnten heftigst irritieren.
Nun steht die Bischofskonferenz kurz davor, ein System zu beschließen, bei dem Opfern Summen von mehreren hunderttausend Euro gezahlt werden. Es mag sein, dass auf die katholische Kirche in Deutschland Ausgaben von rund einer Milliarde Euro zukommen. Aber auch in anderen Ländern, in Irland, Australien, Kanada, musste die Kirche umgerechnet weit mehr als eine Milliarde Euro für Überlebende der Verbrechen aufbringen.
Keine Wiedergutmachung, aber eine Anerkennung von Leid
Ja, man kann zerstörtes Leben nicht mit Geld wieder gut machen. Aber man kann anerkennen, dass Leben zerstört oder eingeschränkt wurde. "Was sich abzeichnet", sagte Kardinal Reinhard Marx, "ist ohne Vergleich". Es gehe um freiwillige Leistungen. Aber der Wille sei da. Endlich.
Die letzte Klärung zum Verfahren ist noch offen, ob es eine pauschale Entschädigung oder ein abgestuftes Entschädigungsverfahren geben soll. Aber das sollte rasch geschehen.
Dann hätte das Vorgehen der Bischöfe doch eine Dimension über den Rahmen der katholischen Kirche hinaus. Für die evangelische Seite, die sich in einzelnen Bereichen nach wie vor schwer tut, Missbrauch aufzuarbeiten - aber auch für die gesamte Gesellschaft.