Bernie Ecclestone ist ein erstaunlicher Mann, der manchmal erstaunliche Dinge sagt. Zum Beispiel dies: "Schauen Sie sich an, was wir für Singapur getan haben. Singapur war plötzlich mehr als nur ein Flugplatz, um von dort irgendwo hin zu fliegen." Dass Singapur auch unabhängig von einem jährlichen Autorennen ein wichtiger Finanz- und Handelsplatz ist - egal. Die Aussage aus dem November 2016 zeigt das Selbstverständnis des Mannes, der rund 40 Jahre lang der Macher der Formel 1 war und nun in den Ruhestand gezwungen wurde. Ecclestones Formel 1 schafft Werte, ist ein Schaufenster für Staaten und erlangt somit eine universelle Bedeutung - glaubt zumindest Ecclestone.
Geschäft ist alles, Sport ist Nebensache
Die ständige Überhöhung des eigenen Tuns - das erinnert stark an einen Senior des Sports: an den ehemaligen FIFA-Boss Joseph S. Blatter, der sich selbst als Anwärter auf den Friedensnobelpreis sah. Ganz soweit geht Ecclestone nicht, dennoch schien auch er untrennbar mit seinem Job verschmolzen. Die Formel 1 war Ecclestone, er war die Formel 1. Und loslassen war keine Option. Ob er ohne die Formel 1 leben könne? "Klar, natürlich. Locker", sagte er 2009 dem "Tagesspiegel". Getan hat er es nie. Nun muss er, unfreiwillig, weil die neuen Besitzer der Formel 1 ihn nicht mehr wollten.
Ecclestone, der Donald Trump als "gut für die Welt" bezeichnet, weil dieser bereit sei, "die Veränderungen vorzunehmen, die Amerika und die Welt brauchen", stand einer Veränderung seiner eigenen Welt im Weg. Ja, Ecclestone erschloss der Formel 1 neue Märkte, bezog immer mehr Staaten mit in den Zirkus ein, schloss Milliarden-Deals und machte viele Menschen in der Formel 1 reich. Und doch sagten sich zuletzt immer mehr Gefolgsleute vom Paten los. Vielleicht auch, weil er beispielsweise die Fahrer als "Windbeutel" sah, die in der Formel 1 nichts zu sagen hätten - eine bezeichnende Aussage. Unter Ecclestone ist die Formel 1 zu einem Geschäft geworden, Sport ist Nebensache.
Das unaufhörliche Wachstum hat der Formel 1 auch geschadet
Die Rennen sind langweilig geworden, weil vorhersehbar und von einem Rennstall dominiert. Die Ausrichtung der Grand Prix ist sündhaft teuer, selbst wohlhabende Nationen wie Deutschland können oder wollen nicht mehr um jeden Preis mitbieten. Und für die Fans sind Teams und Fahrer ohnehin kaum nahbar, der Zirkus schottet sich ab. Alles, was kein Geschäft bringt, muss hinten anstehen. Das unaufhörliche Wachstum hat der Formel 1 auch geschadet.
Provokation gehörte für den ehemaligen Gebrauchtwagenhändler Ecclestone zum Geschäft. Er fand lobende Worte für Adolf Hitler und Sadam Hussein, bezeichnet die Olympischen Spiele als "völligen Quatsch", sieht Geld als "die wahre Weltreligion" und wünschte sich, dass Frauen immer ganz in Weiß gekleidet sein sollten, "wie all die anderen Küchengeräte". Dazu konnte er eine Anklage wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall vor der deutschen Justiz 2014 nur mit einer Zahlung von 100 Millionen Dollar aus der Welt schaffen. Wie solch ein Mann so lange und mehr oder weniger unwidersprochen eine der größten Sportserien der Welt führen konnte, bleibt in der Rückschau rätselhaft.
Kein Sport zum Anfassen
Wird die zuletzt von gähnender Langeweile geprägte Formel 1 nach Ecclestones Aus nun attraktiver? Das kommt auf die Definition von Attraktivität an. Die neuen Macher der Serie, Chase Carey, Ross Brawn und Sean Bratches, versprechen mehr Wachstum, mehr digitale Verbreitung, eine bessere Verteilung der Gelder und damit mehr Chancengleichheit. Ob sie all das einlösen, ist zweifelhaft. Der zurückgetretene Weltmeister Nico Rosberg hofft auf mehr "Showbusiness". Die amerikanischen Besitzer scheinen diese Idee ohnehin schon längst zu haben. Die Formel 1 wird also auch nach der Ära des Bernie Ecclestone bleiben, was sie ist: eine schillernde Werbeplattform, ein dickes Geschäft - und kein Sport zum Anfassen.
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