Avanti Dilettanti!
Am Ende siegte bei der italienischen Regierungsbildung das Prinzip: Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Matteo Salvini, der clevere Stratege bei den Rechtspopulisten der Lega, hatte lange gezögert und auf Neuwahlen gehofft. Seine Werte stiegen in den Umfragen kometengleich in die Höhe und er hoffte, seine Partei gestärkt in ein neues Parlament zu führen. Aber am Ende überwog die Vorsicht und er stimmte der notgedrungenen Heirat mit der Fünf-Sterne Bewegung zum zweiten Mal zu.
Unbekannte Professoren und Anfänger
Es wäre ein Wunder, sollte der neue Premierminister mehr als eine Marionette in den Händen der beiden Parteichefs werden. Denn der unbekannte Juraprofessor ist weder in der Lega noch bei den Fünf-Sternen verankert, seine Macht ist nur geliehen. Guiseppe Conte ist dazu bestimmt, eine schwache Figur zu werden - ein Regierungschef der erst in zwei Parteizentralen anrufen muss, bevor er seinen Kollegen Merkel und Macron Zusagen machen kann.
Und so geht es weiter in diesem Kabinett der Novizen: Kaum jemand hat zuvor auch nur ein Rathaus organisiert. Der neue Finanzminister ist ein bisher unbekannter Ökonomieprofessor, auch er hat keine Regierungserfahrung. Jedenfalls begann eine hektische Recherche im Internet, als sein Name aufkam. Zu den wenigen Erkenntnissen gehört, dass Giovanni Tria Euro-freundlich sein soll.
Diese ganze Regierung besteht aus Anfängern - mit Ausnahme des neuen Außenministers. Das verleiht ihr in den Augen ihrer Wähler zusätzliche Glaubwürdigkeit, denn es gehört zu den Standards der Populisten, gegen die Macht des angeblichen Establishments zu wüten. Aber wie man an der Fünf-Sterne Bürgermeisterin von Rom sieht, die in der Hauptstadt gar nichts in den Griff bekommt, gehört zum Regieren mehr als große Sprüche und bestenfalls ein paar gute Absichten.
Unbezahlbarer Geldsegen
Das Programm dieser Ehe zwischen zwei ideologisch völlig unvereinbaren Parteien, besteht vor allem in unbezahlbaren Geschenken an die Wähler. Und die sind so begierig auf Veränderung, auf neue Leute in der Politik, dass sie dabei das Rechnen verlernt haben. Denn die Flat-Tax, mit der Lega-Führer Matteo Salvini seine Anhänger beglücken will, wird den Staat Milliarden kosten und erst für Einkommen ab 30.000 Euro einen Gewinn bringen. Die kleinen Leute aber, die vor allem den Populisten ihre Stimmen gegeben haben, werden schlechter dastehen als vorher.
Das Grundeinkommen wiederum, das die Fünf-Sterne dem armen Süden versprochen haben, ersetzt eigentlich die Sozialversicherung, die in Italien seit Jahrzehnten fehlt. Leider hat der Staat dafür derzeit nicht das Geld und die Riesenlöcher, die beide Vorhaben in den Haushalt schlagen werden, lassen sich nicht durch beliebiges Schuldenmachen stopfen.
Überhaupt steht die ökonomische Grundidee angesichts der gegenwärtigen Weltlage schwer in Frage: dass Italien nämlich aus seinen Schulden heraus wachsen wird, indem es noch mehr Geld ausgibt. Eine Hand voll Wirtschaftsexperten vertreten genau diese Lehre. Aber da gerade Donald Trump die globale Konjunktur in den Abgrund treibt, ist nicht zu erkennen, wie Italien diesem negativen Sog entkommen könnte.
Ein Albtraum für Europa
In der Europäischen Union hat man auf diese Populistentruppe aus Italien gerade gewartet. Kaum ist die Griechenland-Krise überwunden, zieht die nächste, viel ernstere Bedrohung für die Eurozone auf. Italien ist ökonomisch zehnmal so groß wie der kleine Nachbar im Süden. Steuert Rom auf einen Staatsbankrott zu, könnte der Crash am Finanzmarkt die gesamte Gemeinschaftswährung mit nach unten reißen.
Noch weiß man nicht, wie viele ihrer unbezahlbaren Versprechen die Neuen in Italien umsetzen werden. Auf jeden Fall stehen Brüssel unruhige Zeiten bevor, denn die Regierung Conte wird die Lizenz zum fröhlichen Schuldenmachen verlangen. Die aber kann die EU nicht geben, der Krach ist programmiert.
Wie soll diese Koalition halten?
Auch darüber hinaus wird es nichts als Streit geben mit diesen Italienern. Sprüche von Lega-Chef Salvini über Rassentrennung in der Bahn zeigen seine rechtextreme, rassistische Gesinnung. Treibt er als Innenminister demnächst die Migranten in Lagern zusammen, wird ein bitterer Kampf um die Menschenrechte in Italien losgehen. Wie die eigentlich eher links gerichtete Fünf-Sterne Bewegung Salvinis Demagogie und seine Vorhaben dulden kann, bleibt rätselhaft.
Und eines noch: Die Populisten in Rom reden den Leuten ein, Deutschland sei schuld an der italienischen Krise. Das ist böswilliger Unsinn. Der statistisch durchschnittliche Wohlstand pro Kopf ist in Italien höher als in Deutschland. Die Nachbarn haben allerdings ein gravierendes Verteilungsproblem. Fasst euch, liebe Italiener, an die eigene Nase und schiebt Chaos, Korruption, Schlamperei, Abzockerei und was sonst das schöne Land noch lähmt, nicht auf andere. Und abgesehen davon gilt: Avanti Dilettanti!
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