Friedensprozess auf dem Prüfstand
27. Mai 2018Trotz aller Rückschläge und Stolpersteine geht die Umsetzung des Friedensabkommens in Kolumbien weiter voran. Doch der Boden, auf dem sich der Friedensprozess bewegt, verwandelt sich zunehmend in Treibsand. Nur ein Kandidat lehnt das Abkommen, das den mehr als fünf Jahrzehnte dauernden Konflikt mit der FARC-Guerilla beendete, rundum ab, aber es ist ein wichtiger: Iván Duque geht für das konservative Demokratische Zentrum ins Wahlrennen. Seine Kritiker beschreiben ihn als eine Marionette des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe, der bei dem Referendum über das Friedensabkommen im Oktober 2016 das Nein-Lager angeführt hatte.
Einige Kritiker werfen der Regierung Fehler bei der Umsetzung des Abkommens vor oder machen Verbesserungsvorschläge. Jedoch stellt von den fünf übrigen Kandidaten für das Amt des Präsidenten keiner das Abkommen komplett in Frage. Einer von ihnen wird wahrscheinlich in einem in Umfragen vorhergesagten zweiten Wahlgang gegen Iván Duque antreten. Dies sind die Stationen des Friedensprozesses im Überblick.
Erste unsichere Schritte
Auf beiden Seiten herrschte Skepsis, als im Oktober 2012 die Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC in Oslo begannen und später in Havanna fortgeführt wurden. Viele erinnerten sich nur allzu gut an die gescheiterten Friedensbemühungen des ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana Ende der 90er Jahre.
Präsident Juan Manuel Santos ließ nicht locker und schaffte es, die Kolumbianer für sein Projekt zu gewinnen. Mit seinem Wahlspruch "Frieden schaffen für Kolumbien" gewann er die Wahlen für seine zweite Amtszeit.
Der Waffenstillstand
Nach einigen ersten Vorvereinbarungen über eine Agrarreform und einer eventuellen politischen Integration von ehemaligen Guerilla-Kämpfern, die ihre Waffen niederlegen, schien sich ein konstruktiver Weg zu öffnen. Doch ein Anschlag der FARC, der im April 2015 elf Soldaten das Leben kostete, brachte die Gespräche zum Erliegen. Die Regierung reagierte mit einer Militäroffensive und die Fronten verhärteten sich wieder.
Die Gespräche waren am Scheideweg. Die diplomatische Intervention der Garantiestaaten, die den Friedensprozess begleiteten - Kuba, Chile, Venezuela und Norwegen -, verhinderte das Schlimmste. Im Juli 2015 verkündete die FARC-Guerilla einen Waffenstillstand. Die Regierung begnadigte im November 30 Mitglieder der FARC - auch das trug auch zur Entspannung bei.
Abkommen und Polarisierung
Die internationale Unterstützung war während der Gespräche von großer Bedeutung. Der Umstand, dass die Vereinten Nationen sich bereit erklärten, die Umsetzung des Abkommens und die Demobilisierung und Entwaffnung der FARC-Rebellen zu überwachen, gab dem Friedensprozess die notwendige Glaubwürdigkeit. Am 26. September 2016 wurde das Friedensabkommen von Präsident Santos und dem Vorsitzenden der FARC Rodrigo Londoño in Cartagena unterzeichnet.
Doch die Freude derjenigen, die den Dialog unterstützt hatten, war nicht von langer Dauer. Rund um den ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe sammelten sich die, die das Abkommen generell, speziell die Bedingungen der juristischen Aufarbeitung ablehnen. Uribe gelang es im Referendum vom 2. Oktober 2016 zur allgemeinen Überraschung, eine Mehrheit der Kolumbianer zur Ablehnung des Abkommens zu bewegen. Mit 50,2 Prozent war die ablehnende Mehrheit denkbar knapp. Das Land war gespalten.
Die Lorbeeren des Friedens
Doch der Erfolg der Gegner des Friedensabkommens konnte den Prozess nicht mehr aufhalten. Der kolumbianische Präsident erhielt in Form des Friedensnobelpreises wichtige internationale Rückendeckung. Nach einigen Veränderungen am Text legte er das Abkommen im November desselben Jahres dem kolumbianischen Parlament vor. Diesmal war die Zustimmung einstimmig.
Einige Monate später stimmte das Parlament auch der politischen Integration ehemaligen Guerilleros nach der kompletten Entwaffnung zu. Diese fand in drei Etappen unter der Aufsicht der UNO statt und wurde Mitte August 2017 abgeschlossen.
Neue Herausforderungen
An Gesten der Versöhnung hat es nicht gefehlt. Der ehemalige Guerillaführer Rodrigo Londoño (Kampfname "Timochenko"), nutzte den Besuch des Papstes in Kolumbien im September 2016, um sich für das Leid zu entschuldigen, das die FARC verursacht hatte. Die FARC wandelte sich von einer Guerillatruppe zu einer politischen Partei, die bereit im März 2018 an den Parlamentswahlen teilnahm, bei der sie aber ein sehr schlechtes Ergebnis erzielte. Die FARC besetzt jedoch, wie im Abkommen vereinbart, jeweils 5 Sitze im Senat und der Abgeordnetenkammer des Landes.
Londoño war ursprünglich auch als Kandidat für die Präsidentschaft angetreten, musste seine Kandidatur aber wegen einer Operation und ernsten gesundheitlichen Problemen zurückziehen. Die FARC-Partei hat zudem, wenn man die Ergebnisse der jüngsten Parlamentswahlen zugrunde legt, keine größeren politischen Aussichten. Der große Gewinner der Parlamentswahl war Álvaro Uribe. Sein Name erscheint bei der Präsidentschaftswahl nicht auf dem Wahlzettel, aber sein konservatives politisches Programm wird vom Kandidaten Iván Duque vertreten. Ein voraussichtlicher zweiter Wahlgang mit Iván Duque würde eine neue Herausforderung für den Friedensprozess darstellen.