Droht Assad Verfahren?
24. Februar 2012Die 60 westlichen und arabischen Mitgliedsstaaten der neugegründeten "Syrien-Kontaktgruppe" drohen Präsident Baschar al-Assad und seinem Regime mit verschärften Sanktionen, falls er das Blutvergießen nicht beendet und weiterhin keine humanitären Hilfslieferungen zulässt. Das ist das Ergebnis der Syrien-Konferenz, die an diesem Freitag (24.02.2012) in Tunis stattgefunden hat. Auf ein Ultimatum an den Diktator in Damaskus verzichtet die Kontaktgruppe allerdings, auf die Entsendung einer arabischen Friedenstruppe konnte sie sich auch nicht einigen.
Aufwertung des Syrischen Nationalrats
Zwar werteten die Teilnehmer den oppositionellen Syrischen Nationalrat (SNC) auf und erklärten ihn zur "legitimen Vertretung von allen Syrern, die einen friedlichen demokratischen Wandel suchen". Eine völkerrechtliche Anerkennung, auf die Teile der syrischen Opposition gehofft hatten, bedeutet dies jedoch nicht. All diese Drohungen und Erklärungen dürften das Assad-Regime vermutlich ebenso wenig beeindrucken, wie die Verurteilung der Menschenrechtsverstöße durch eine große Mehrheit der UN-Generalversammlung in der vergangenen Woche.
Erst am Donnerstag wurde eine Liste des UN-Menschenrechtsrates bekannt, auf der Assad sowie vier weitere Mitglieder seiner Familie für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich gemacht werden. UN-Diplomaten befürchten, dass diese Liste die Erfolgschancen des neu ernannten UN-Sondervermittlers für Syrien, Kofi Annan, schmälern könnte. Denn warum, so fragen die Diplomaten, sollte Assad bei den geplanten Vermittlungsgesprächen mit Annan noch irgendein Entgegenkommen zeigen, wenn er für den Fall seines Abtritts mit einem Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof und einer langjährigen Haftstrafe rechnen muss?
Ohne Russland und China
Zumindest hinter verschlossenen Türen erklären auch westliche Diplomaten die Strategie des immer weiter verschärften Drucks auf Assad für gescheitert. Zumal auch weiterhin nicht absehbar ist, dass sich Russland und China - einmal abgesehen von verbalen Ermahnungen an die Adresse Assads - ernsthaft an Sanktionen beteiligen.
Es wächst die Befürchtung, dass ein langwieriger und landesweiter Bürgerkrieg in Syrien nicht mehr vermeidbar ist. Ein Bürgerkrieg mit weit mehr Toten, als im vergangenen Jahr in Libyen. Ein solcher Krieg hätte gefährliche Auswirkungen, da er die ganze Nahostregion destabilisieren würde. Angesichts dieses Szenarios wächst die Bereitschaft unter Diplomaten, über eine Option zu reden, die bislang offiziell noch als Tabu gilt: das Angebot strafrechtlicher Immunität und eines sicheren Exils für Assad und seine Familie.
Assad ins Exil?
Kofi Annan wäre eventuell der geeignete Mann, der Assad ein solches Angebot unterbreiten könnte. Er müsste es allerdings so diplomatisch formulieren, dass Assad sein Gesicht wahren könnte. Dem entgegen steht, dass es ohne die Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverletzungen und ihrer strafrechtlichen Ahndung kaum Gerechtigkeit und Versöhnung geben kann. Beides sind wohl unabdingbare Vorraussetzungen für einen dauerhaften Frieden und die Stabilität Syriens.
Autor: Andreas Zumach
Redaktion: Miriam Klaussner/ Daniel Scheschkewitz