Trinkwasser aus der Antarktis?
1. Juli 2018Wasser ist in Zeiten des Klimawandels eine endliche Ressource. Am Beispiel Kapstadt ist im Augenblick zu sehen, wie schwerwiegend die Konsequenzen des globalen Temperaturanstiegs auch für Metropolen sein können. Die Stadt konnte nur knapp den "Day Zero" vermeiden, an dem es kein Wasser mehr aus öffentlichen Leitungen gegeben hätte. Der südafrikanische Kapitän Nicholas Sloane findet, es sei Zeit, über alternative Methoden der Trinkwassergewinnung nachzudenken und hat dafür einen kühnen Plan – Trinkwasser aus Eismassen der Antarktis zu gewinnen.
Was zunächst nach wilder Fantasie klingt, möchte Sloane, Experte für Schiffsbergungen und bekannt geworden durch die Aufrichtung des havarierten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia", erreichen, indem er bis zu 70 Millionen Kubikmeter große Eisberge nach Südafrika verschifft. Wie groß so ein Eisberg sein könnte? Etwa 800 Meter lang, 400 Meter breit und 220 Meter tief. Das Eis soll mit einer Folie überzogen werden, um große Verluste durch Schmelzen zu verhindern. Im Anschluss sollen zwei Schlepper von Sloane den Eisberg circa 4000 Kilometer bis zur südafrikanischen Küste ziehen.
Sloane sagt, er könne Kapstadt mit 150 Millionen Liter Wasser am Tag versorgen, sollte sein Plan aufgehen. Der Trick an der ganzen Sache ist, das Eis mit der Meeresströmung zu bewegen, die Schlepper geben dabei nur die Richtung vor. Deswegen würde der geplante Transport knapp ein halbes Jahr dauern.
Die Idee, Eisberge durch die Weltmeere zu schleppen, um sie an Orten größerer Not zu nutzen, ist schon älter. Georges Mougin hatte 1977 zu einer ersten Konferenz in den USA aufgerufen, bei der die Idee einer alternativen Wasserquelle erstmals diskutiert wurde. Die Umsetzung scheiterte jedoch, sowohl am technischen wie auch finanziellen Aufwand.
Alternative zum Alternativen?
"Der unnachhaltige Fußabdruck, den haben vor allem [Industriestaaten] – und die anderen kopieren das jetzt. Und daher trifft uns eine besondere Verantwortung, andere Dinge zu etablieren", so Benjamin Adrion, Gründer der Wasserinitiative "Viva con Agua" dem Deutschlandfunk. Dazu gehört auch eine neue Art des Umgangs mit dem Lebenselixier. Für diese spricht sich auch Dietrich Borchardt aus, Leiter des Departments für Aquatische Ökosystemanalyse am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung. "Die Wasserkrise weltweit ist in erster Linie ein Missmanagement Problem", sagte Borchardt der DW. "Eine funktionierende Wasserwirtschaft ist eine grundlegende Voraussetzung für sozialen Frieden". Um diesen zu erhalten, und das Problem des Missmanagements zu lösen, muss betrachtet werden, wo es verloren geht.
In London gehen 50 Prozent des Leitungswassers durch Lecks in den Rohren verloren. Die Stadt steht laut der BBC auf Platz 9 der Metropolen, denen am wahrscheinlichsten das Trinkwasser ausgeht. Neben der Stadtplanung und Wasserversorgung müsse ein generelles Aufklären und Umdenken stattfinden, betont Claudia Gersdorf von "Viva con Agua": "Wenn man durch Äthiopien fährt und am Wegesrand eine Plantage mit Gewächshäusern voller Rosen sieht, dann kann man sich schon fragen: Wann werden wir uns bewusst, was unsere Rose am Valentinstag vor Ort bedeutet?" Sie würde das Aufklären am liebsten in die Schulbildung mitaufnehmen und "das Schulfach Wasser einführen".
Mehr dazu: Sind Rosen für Valentinstag schlecht für die Umwelt?
Bildung und Aufklärung bedarf es darüber hinaus, wenn es um Themenpunkte wie "Virtuelles Wasser" geht. Für einen Kaffee braucht man nicht nur das Wasser, das in die Tasse kommt. Im Durchschnitt werden für eine Tasse Kaffee 140 Liter Wasser verbraucht. Virtuelles Wasser beschreibt den Wasserverbrauch und die Wasserverschmutzung, welche die Produktion eines Guts, ob landwirtschaftlich oder industriell, bedingt. So wie sich unser eigener ökologischer Fußabdruck feststellen lässt, so kann auch der "Wasserfußabdruck" eines jeden Produkts bemessen werden. Zweifelhafte Anführer der Liste von Produkten mit dem höchsten Wasserfußabdruck sind Jeans, Lederschuhe und Smartphones.
Mehr dazu: Ökologischer Fußabdruck: Warum "Graue Energie" vollkommen unterschätzt wird
"Namibia ist Weltmeister in der Wasseraufbereitung"
Auch beim Recycling von Wasser besteht noch Aufklärungsbedarf. In dieser Disziplin sei Namibia der Weltmeister, berichtet Wissenschaftler Borchardt. "Dort wird Abwasser zu brauchbarem Wasser und sogar wieder zu Trinkwasser aufbereitet." Dabei läge der Fokus auf dem Management, sprich, Regen- und Trinkwasser dezentral zu speichern und vor allem unterschiedliche Wasserspeicher für unterschiedliche Nutzungen zu haben. Anderswo sei es Standard, dass Trinkwasser auch zum Bewässern in der Landwirtschaft oder zur Herstellung von Produkten benutzt werde, ohne, dass dies nötig sei.
Namibia könnte Vorbild für andere Nationen sein. Experten wie Dietrich Borchardt und Claudia Gersdorf sind sich einig: Lokale Quellen nachhaltig und umweltfreundlich zu nutzen und darüber hinaus ein gutes und soziales Management der Ressource zu bemühen reicht aus, um die Trinkwasserproblematik zu bekämpfen. Eismassen durch die Weltmeere zu schleppen ist im Vergleich ein eher umständlicher Plan.