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Klimapoker in Paris

Jens Thurau9. Dezember 2015

Feilschen, kalkulieren, bluffen: Wer auf dem Klimagipfel Verpflichtungen eingeht, will dafür finanziell entschädigt werden. Nach durchverhandelten Nächten scheint ein Abkommen in greifbarer Nähe. Aus Paris Jens Thurau.

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Frankreich Cop21 Klimagipfel in Paris - Laurent Fabius (Foto: REUTERS/ Stephane Mahe)
Bild: Reuters/S. Mahe

Eigentlich wollte Laurent Fabius an diesem Mittwoch auf dem Konferenzgelände in Le Bourget um 13 Uhr vor die Delegierten aus 195 Ländern treten, um ihnen einen neuen, diesmal eigenen Entwurf für einen neuen Klimavertrag zu präsentieren, aber es gab offenbar doch noch Gesprächsbedarf.

Erst zwei Stunden später gab Fabius die Details bekannt: Der Entwurf umfasst nur noch 29 statt 43 Seiten. Dreiviertel der strittigen Stellen sind entfernt. "Aber das ist immer noch nicht der endgültige Text, er wird noch weitere Änderungen erfahren", prognostiziert der Konferenzchef."

Offen ist also nach wie vor, wie ambitioniert die langfristigen Klimaziele ausfallen. Und in welcher Höhe die Entwicklungsländer von 2020 an Geld von den Industriestaaten bekommen, um sich an den Klimawandel anzupassen. Und wie und in welchen Zeitabständen die freiwilligen Klimaziele der 195 Staaten überprüft und nachgebessert werden.

COP21 Klimafonferenz Frankreich Außenminister Laurent Fabius(Foto: Reuters/ S. Mahe)
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius ist als Gastgeber Präsident der UN-KlimakonferenzBild: Reuters/S. Mahe

Freiwillig und dennoch verbindlich?

Diese Ziele hatten die Staaten vor der Konferenz eingereicht, sie werden Teil des Vertrages ein. Experten glauben, dass sie die Erderwärmung auf 2,7 Grad begrenzen können. Das ist weniger, als die Wissenschaftler fordern, aber es ist besser als alles, was Klimakonferenzen bislang erbrachten.

Den neuen Text hatten Mitarbeiter des französischen Außenministers aus den Vorschlägen unzähliger Untergruppen in der Nacht zusammengeschrieben. Seit Mitte dieser Woche nimmt die Konferenz den Verlauf, den schon viele Klimatreffen hatten. Unter Zeitdruck feilen die Unterhändler an den Details, keiner glaubt, dass das Pariser Treffen wie offiziell geplant am Freitag Abend endet. Wie eigentlich immer wird bis Samstag weiter gepokert, diesmal wenigstens um den neuen Klimavertrag.

Schon jetzt schlagen sich die Experten die Nächte um die Ohren: "Mein Chefverhandler Karsten Sach hat heute Nacht zwei Stunden im Delegationsbüro auf Decken geschlafen, ins Hotel hat er es nicht geschafft", wusste Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Mittwoch Mittag zu berichten.

Europa wirbt um Entwicklungsländer

Schwung in die Gespräche hatte am Tag zuvor eine Initiative der EU gebracht: Gemeinsam mit 79 Staaten aus Afrika, der Karibik und des Pazifiks setzten sich die Europäer für ein ambitioniertes, weitgehendes Abkommen ein, das in möglichst vielen Teilen völkerrechtlich bindend sein soll.

"Es sollte ein klares und handhabbares langfristiges Ziel enthalten, das mit den Erkenntnissen der Klimawissenschaft im Einklang steht", heißt es in der Erklärung. Ein Sinn dieser Kooperation aus Sicht der EU: Die ärmeren Länder aus ihrer Gruppe der G77 herausbrechen, die sie seit vielen Konferenzen mit Ländern wie Saudi-Arabien oder Indien bilden.

Klimawandel Flusserosion in Bangladesch
In Bangladesch treiben massive Überschwemmungen Millionen Menschen in die FluchtBild: picture-alliance/dpa/Zakir Hossain Chowdhury

Diese Länder haben sich in Paris bislang eher zögerlich (Indien) oder gar ablehnend (Saudi-Arabien) gegenüber einem neuen Klimavertrag gezeigt. Die Entwicklungsländer aber, die jetzt schon am stärksten unter dem Treibhauseffekt leiden, wollen ein Abkommen, weil sie dann auf mehr Geld der Industriestaaten hoffen. Und auch die USA zeigen sich kooperativ. Außenminister John Kerry machte Mittwoch klar: "Auch wir sind entschlossen, zu einem Erfolg zu kommen."

Jeder Grad zählt

Noch an einem anderen Punkt haben sich die armen Staaten offenbar durchgesetzt, bislang jedenfalls: Ihre Forderung, die Erderwärmung maximal auf 1,5 Grad steigen zu lassen, findet immer mehr Beifall.

Bislang galt es als ausgemacht, dass die Staaten sich auf zwei Grad maximaler Temperatursteigerung einigen. Wissenschaftler halten das für gerade noch tolerabel. "Ich bin mir sicher, dass die 1,5 Grad in sehr starker Weise im Abkommen formuliert werden, nicht nur so am Rande", meinte dazu Umweltministern Hendricks.

Gut möglich, dass das so kommt. Gut möglich aber auch, dass sich die Bremserstaaten wie Bolivien, Saudi-Arabien, Malaysia oder Indien die 1,5 Grad-Formulierung teuer abkaufen lassen. An irgendeiner Stelle im Abkommen, dass ihnen nicht passt. Klimakonferenzen können sehr kompliziert sein.