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Klein, aber fein

Bernd Riegert, Brüssel28. Juni 2008

Slowenien ist das erste neue EU-Mitglied, das die Ratspräsidentschaft übernahm. Die Bilanz fällt nicht schlecht aus. Gerade in der Balkanpolitik hat das Land einiges bewegt.

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Slowenien gibt den Stab an Frankreich weiter (Quelle: AP)
Slowenien gibt den Stab an Frankreich weiter

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, dankte der Präsidentschaft des Rates der EU für die letzten sechs Monate. Das ist artige Routine, zu hören bei jedem Präsidentschaftswechsel, egal wie gut oder schlecht die Leistungen tatsächlich waren.

Die Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17. Februar 2008 in Pristina (Quelle: AP)
Die Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo am 17. Februar 2008 in PristinaBild: AP

Diesmal sind die Lobeshymnen vielleicht ein wenig ehrlicher gemeint, glaubt Jacki Davis vom European Policy Center, einer führenden Denkfabrik in Brüssel: "Was sie beweisen wollten und bewiesen haben ist, dass ein kleines neues Mitgliedsland die Präsidentschaft ausüben kann. Dass nicht alles schiefgeht und sie die Aufgaben schultern können. Das haben sie getan und das ist, was man erwarten durfte."

Slowenien hat sich vehement dafür eingesetzt, dass die Europäische Union die Unabhängigkeit des Kosovos anerkennt und gleichzeitig Serbien den Weg zur EU-Mitgliedschaft weiter ebnet. Im Kosovo konnte die EU allerdings noch nicht die politische Oberaufsicht übernehmen, wie sich Slowenien das vorgestellt hatte. Nun soll die EU wegen russischer Bedenken weiter unter dem Dach der Vereinten Nationen agieren. Nach Neuwahlen in Serbien hat sich die Lage etwas entspannt.

Kosovo und Lissabon

Hat einen guten Job gemacht: Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa, Quelle: AP
Hat einen guten Job gemacht: Der slowenische Ministerpräsident Janez JansaBild: AP

Mit Serbien und Bosnien-Herzegowina wurden Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen unterzeichnet, wichtige Schritte auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft.

Davis bucht die Balkan-Politik der Slowenen als Erfolg ab: "Die zwei großen Ereignisse, die ihre Präsidentschaft geprägt haben, entzogen sich ihrer Kontrolle. Die Unabhängigkeit des Kosovo haben sie ganz gut gemeistert, wenn man bedenkt, wie zerstritten die Mitgliedsstaaten in der Frage waren. Am Ende wurde die Präsidentschaft vom Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag bestimmt. Das war aber auch nicht die Schuld der Slowenen."

Nicht ausreichend für Europa geworben

Der irische Premierminster Cowen und Kommissionspräsident Barroso (Quelle: AP)
Nach der verlorenen Abstimmung: der irische Premierminster Cowen und Kommissionspräsident BarrosoBild: picture-alliance/ dpa

Ob und wie die Heranführung der Balkanstaaten an die EU ohne Reformvertrag von Lissabon weitergehen kann, ist in der EU umstritten. Janez Jansa, Ministerpräsident von Slowenien und scheidender EU-Ratspräsident, bedauert, dass es ihm und seinen 26 Kollegen nicht gelungen ist, ausreichend für Europa zu werben: "Ich glaube, man kann dies den Bürgern erklären. Das ist gar nicht so schwierig. Dazu braucht man Zeit und den richtigen Ansatz. Wir müssen die negative Einstellung gegenüber den europäischen Institutionen verändern. Wir brauchen eine europäische Identität."

Der eher spröde wirkende Ministerpräsident und sein relativ kleines Team haben in aller Stille nach 14 Jahren Diskussion die Gesetze für einheitliche Arbeitszeiten durch die EU-Institutionen gebracht, den ersten Teil der gemeinsamen Asylgesetzgebung angeschoben und eine EU-Mittelmeer-Universität gegründet. Der Dialog mit Lateinamerika über Klimawandel, Nahrungsproduktion und Energiesicherheit wurde bei einem Gipfeltreffen erneut angestoßen.

Zu wenig Bürgernähe

Der sozialdemokratische EU-Europaabgeordnete Jo Leinen kritisiert, dass Slowenien und die übrigen EU-Staaten die wahren Sorgen ihrer Bürger nicht erkennen: "Lebensmittelpreise, Energiepreise, Kreditkrise, hohe Managergehälter: Bei vielen Dinge, die die Bürger sorgen, kommen wir zu spät, oder wir treffen nur halbherzige Entscheidungen. Europa muss den Menschen nützen, es muss die Menschen schützen, dann werden sie uns auch unterstützen."

Lob: Bescheiden, aber effektiv

Der Präsident der EU-Kommission, also der Chef der starken Verwaltungszentrale in Brüssel, lobt die slowenische Präsidentschaft hingegen: bescheiden, aber effektiv. Vom nachfolgenden Frankreich erwarten viele Beobachter in Brüssel eher das Gegenteil. "Wenn alle Mitgliedsstaaten der EU so engagiert handeln würden wie Slowenien", sagte Kommissionspräsident Jose Barroso, "dann könnte die EU viele ihrer Schwierigkeiten überwinden."

Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa verabschiedete sich unter dem Eindruck des EM-Fußballspektakels mit dem Vorschlag, die EU solle doch eine eigene Fußball-Mannschaft für internationale Turniere aufstellen. Dann wäre ihr wenigstens mehr Aufmerksamkeit gewiss.