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Kinderkrippe statt Kanone

Jens Thurau16. Januar 2014

Die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Bundeswehr familienverträglicher machen. Die Debatte im Bundestag über den Bericht des Wehrbeauftragten zeigt, dass sie damit wohl einen Nerv getroffen hat.

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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (Foto: Getty Images)
Bild: Odd Andersen/AFP/Getty Images

Das gibt ja eigentlich nicht mehr: Eine Rede eines FDP-Politikers im Bundestag. Aber Hellmut Königshaus darf das noch, der FDP-Politiker ist seit 2010 Wehrbeauftragter des Parlaments, seine Amtszeit dauert noch bis zum März 2015. Nur ist ihm leider bei der Bundestagswahl seine Partei abhanden gekommen, die FDP ist nicht mehr im Bundestag vertreten. Umso offener kann Königshaus, der die Sorgen und Nöte der Soldaten entgegennimmt und ans Parlament weitertragen soll, jetzt sprechen. Viel stürze auf die Bundeswehr ein, durch die Schließung von Standorten, durch Auslandseinätze wie den in Afghanistan, durch mögliche künftige Einsätze: "Dies hat die Stimmung in der Truppe erheblich getrübt", so Könighaus. Aber es gebe auch Positives zu vermelden. Die lange als schlecht gerügte Ausrüstung der immer noch rund 3300 Soldaten in Afghanistan habe sich erheblich verbessert.

Das hört die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf der Regierungsbank gern. Und auch Sätze von Königshaus wie diesen: Ausrüstung und Logistik seien wichtig, "aber mindestens gleichrangig ist die Fürsorgepflicht für unsere Soldaten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist eine Schlüsselfrage für die Zukunft der Bundeswehr".

"Bundeswehr ist globales Unternehmen"

Ursula von der Leyen sieht das exakt genauso. Die neue Ministerin tritt in einem Kostüm ans Rednerpult, das entfernt an eine Marine-Uniform erinnert. Siegesgewiss wie immer lächelt sie die Abgeordneten an. Sie hat fürs erste ihr Thema gefunden, sie war schließlich früher einmal Familien-, danach Arbeitsministerin. "Die Bundeswehr", sagt von der Leyen, "muss der attraktivste Arbeitgeber in der Bundesrepublik werden".

Das hat sie so schon bei anderen Anlässen zuvor gesagt, aber jetzt geht sie ins Detail. Die Bundeswehr stellt sie sich als großes, global aufgestelltes Unternehmen vor: "Mit 250.000 Beschäftigen an 400 Standorten im In- und Ausland, mit einem eigenen Luftfahrtunternehmen, einer eigenen Reederei, großen Krankenhäusern, Logistik, Bildungsstätten plus einer hervorragenden Verwaltung." Und der Wegfall der Wehrplicht, so die Ministerin, zwinge die Bundeswehr vor allem im Inland, mit anderen großen Unternehmen um die besten Mitarbeiter zu konkurrieren. "Soldat zu sein, ist kein Beruf wie jeder andere, aber es stellen sich die gleichen Fragen wie bei allen anderen Berufen."

Aktuelle Probleme

Da kann keiner so recht widersprechen, auch die Opposition nicht, auch nicht der Wehrbeauftrage. Hellmut Königshaus gibt nur zu bedenken: Lässt sich die Bundeswehr wirklich ohne höhere Kosten familienfreundlicher machen, etwa durch mehr Teilzeitarbeit? "Da habe ich so meine Zweifel", sagt der FDP-Politiker. "Das muss nicht unbedingt mit mehr Kosten verbunden sein", kontert die Ministerin.

Grünen und Linken bleibt da nur, auf aktuelle Probleme der Soldaten zu verweisen. Viele Auslandseinätze dauerten erheblich länger als die eigentlich geplanten vier Monate. Auch die Zeit zwischen zwei Auslandseinsätzen, die in der Regel 20 Monate betragen soll, sei zumeist viel kürzer, so Christine Buchholz von der Linkspartei. In einigen, besonders beanspruchten Einheiten liege die Scheidungsrate auch deshalb bei bis zu 80 Prozent: "Die Bundeswehr war noch nie familienfreundlich, die Wandlung in eine Berufsarmee hat das noch verschärft. Familienfreundlichkeit und eine Bundeswehr im Einsatz - das ist unvereinbar." Und Doris Wagner von den Grünen bemängelt, dass das Ziel, 15 Prozent der Führungsposten in der Bundeswehr mit Frauen zu besetzen, noch lange nicht erreicht sei.

Ursula von der Leyen hört sich das alles ruhig an. Sie weiß, dass sie einen Nerv getroffen hat. Allein im vergangenen Jahr gingen beim Wehrbeauftragten 5000 Beschwerden von Soldaten ein, 700 mehr als im Jahr davor. Die Soldaten, ihre Familien, ihr Arbeitsumfeld in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, das ist kein schlechter Einstand für die erste Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Aus dem Ruder laufenden Rüstungsprojekte und mögliche neue Auslandeinsätze - das alles kommt noch früh genug…