Bonuszahlungen
26. März 2009Der Versicherungskonzern AIG, konnte nur mit Staats-, sprich: Steuergeldern in Höhe von 180 Milliarden Dollar vor dem Kollaps bewahrt werden. Dennoch hat das Unternehmen über 160 Millionen Dollar Erfolgsprämien an die Mitarbeiter gezahlt. Die Empörung darüber hat heftige Debatten in den USA ausgelöst - nicht nur unter Politikern.
Es ist ein schöner Samstagvormittag in Wilton im Bundesstaat Connecticut. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Einer der ersten schönen Frühlingstage des Jahres. Doch der Schein trügt, die Stimmung ist aufgeheizt. "Wir wollen Gerechtigkeit! Wer hat diesen Mist angerichtet? AIG!" rufen rund 100 Demonstranten, die sich vor dem Headquarter der Finanzsparte von AIG eingefunden haben. Einige von ihnen haben zuvor an einer Bustour unter dem Motto "Tour of the rich and infamous" – also einer Tour der Reichen und Berüchtigten teilgenommen. Dabei stoppte der Bus an Häusern von AIG- Mitarbeitern, die bis zu 6,5 Millionen Dollar Bonuszahlungen für das Katastrophenjahr 2008 kassiert haben.
Rund 550 Kilometer weiter südlich, in Washington DC, sind die Gemüter nicht minder erhitzt. Senator Charles Grassley brachte bei einer Anhörung in Washington die Meinung einiger Kongressmitglieder auf den Punkt. Er sagte wörtlich: "Was mich etwas beruhigen würde ist, wenn wir dem japanischen Modell folgen. Die Bonusempfänger sollen sich vor dem amerikanischen Volk tief verbeugen. Und dann entweder zurücktreten oder sich das Leben nehmen. Japaner würden eher Selbstmord behegen, bevor sie sich entschuldigen müssen."
Stärkere Regulierung gefordert
Die Debatte um die Bonuszahlungen gerät außer Kontrolle. Bei Anhörungen im Kongress-Finanzausschuss versuchten Finanzminister Timothy Geithner und Notenbankchef Ben Bernanke über stärkere Regulierung und Lösungsansätze für die Finanzkrise zu debattieren. Doch die Abgeordneten interessierte nur eine Frage: was ist mit den Bonuszahlungen? Unterdessen verfolgen Investoren im Finanzzentrum an der Wall Street das populistische Gezerre mit Fassungslosigkeit. Richard Yamarone, Chefökonom von Argus Research wirft den Politikern vor, den Blick für das Wesentliche verloren zu haben. "Anstatt die wirklich wichtigen Probleme anzugehen, wie etwa das gesamte Finanz- und Bankensystem, fokussiert sich Washington auf kleine Dinge wie Bonuszahlungen bei AIG, sagt Amarone". Das liege doch alles in der Vergangenheit. Die Prioritäten würden völlig falsch gesetzt.
Auch Richard Yamarone versteht, wie die meisten Leute an der Wall Street, dass sich die Öffentlichkeit über die Zahlungen aufregt. Doch über die hitzige Debatte geht der Blick für das Wesentliche offensichtlich verloren. Und das ist: das Finanzsystem ist nach wie vor vom Kollaps bedroht. Und alleine, ohne Hilfe der Wall Street, wird Washington die Kreditkrise nicht in den Griff bekommen. US-Finanzminister Timothy Geithner, fordert wie auch der Chef der Notenbank Ben Bernanke, eine Neuordnung der Finanzmärkte.
Angst vor Übergriffen
Den bisher unrühmlichen Höhepunkt fand die Diskussion, als AIG- Chef Edward Liddy kürzlich vor dem Kongress Rede und Antwort stand: "Ich bin ernsthaft besorgt über die Sicherheit unserer Leute", sagte Liddy, "lassen Sie mich mal etwas vorlesen: 'Alle Topmanager und ihre Familien sollte man aufhängen. Wenn die Regierung nichts unternimmt, dann werden wir, die Bürger, für Gerechtigkeit sorgen.'"
Und laut Liddy sei das bei weitem nicht die einzige Morddrohung, die in den vergangenen Tagen eingegangen sei. Barack Obama scheint derweil die Kontrolle über den mehrheitlich demokratischen Kongress zu verlieren. Es sei Zeit, sich wieder zu beruhigen und die Diskussion sachlich voranzutreiben, sagt Richard Yamarone. Die vielen Medienauftritte und Berichte lenkten derzeit zu stark ab. Das helfe weder der Wall Street noch den Leuten auf der Straße, so Yamarone.
Es sieht ganz danach aus, dass die US-Politiker mit ihrer Polemik in der Tat derzeit dem Markt und einem dringend erforderlichen Konjunkturaufschwung mehr schaden als dass sie zur Lösung der Probleme beitragen.
Autor: Jens Korte
Redaktion: Monika Lohmüller