Katsav wegen Vergewaltigung verurteilt
30. Dezember 2010"Schuldig!" - in fast allen Anklagepunkten. Damit hatte Mosche Katsav wahrlich nicht gerechnet. Nur der Vorwurf der Belästigung von Zeugen konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Das Gericht befand ihn der Vergewaltigung in zwei Fällen, der sexuellen Nötigung und Belästigung von Untergebenen schuldig. Er habe, so die Richter, in den 1990er Jahren eine Angestellte vergewaltigt, als er noch Tourismusminister des Landes war. Außerdem habe er als Staatspräsident zwei Beschäftigte sexuell genötigt und belästigt.
Jubel vor dem Gerichtssaal
Ronnit Amiel, die Chefanklägerin des Prozesses, wandte sich nach dem Schuldspruch an die Opfer, die während des Prozesses als Zeuginnen aufgetreten waren: "Wir, die wir euch während des ganzen Prozesses kennen gelernt haben, die wir gesehen haben, wie mutig und entschlossen ihr wart, wir salutieren euch heute", zollte die Staatsanwältin den drei Betroffenen Respekt. "Wir sind überzeugt, dass die Botschaft, die heute von diesem Gericht an alle Missbrauchsopfer ausgeht, lautet: Schweigt nicht!"
Als die ersten Nachrichten des Schuldspruchs aus dem Gerichtssaal drangen, brach vor den Türen Jubel aus. Dort hatten sich einige Dutzend Frauen mit Schildern und Transparenten eingefunden. Sie forderten Gerechtigkeit für Opfer von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung.
Bestürzung bei Katzavs Familie
Große Enttäuschung herrschte dagegen bei den Unterstützern des Ex-Präsidenten. Sein Sohn Ariel, der ihn zusammen mit den Anwälten ins Gericht begleitet hatte, erklärte nach dem Schuldspruch, dass dieses Urteil ein schwerer Schlag für seine Familie sei: "Aber wir werden weiterhin stolz auf unseren Vater sein, den achten Präsidenten des Staates Israel." Die ganze Nation werde mit Gottes Hilfe wissen, dass sein Vater unschuldig sei. Auch die Verteidiger kritisierten das Urteil der drei Tel Aviver Richter und kündigten Revision an.
"Beweis für ein funktionierendes Rechtssystem"
Der Rechtsexperte des israelischen Rundfunks, Mosche Negbi, würdigte den Schuldspruch dagegen als Ausweis israelischer Rechtsstaatlichkeit. Zweifellos sei das ein schwerer Tag für Mosche Katsav: "Aber man muss auch sagen, dass das ein großer Tag für die israelische Demokratie und das israelische Rechtssystem ist." Denn erstens sei bewiesen worden, dass es in Israel eine Gleichheit vor dem Gesetz gebe, bei der auch der erste Bürger im Staate keinen Nachlass bekomme. Und zweitens seien mit diesem Urteil die Würde und die Freiheit der Frau verteidigt worden. Und das sei ein wichtiges Signal, das den Frauen Mut macht, sich zu wehren.
Im gleichen Sinne werteten auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Oppositionsführerin Tzipi Livni das Urteil. Nach dem Schuldspruch musste der 65-jährige Ex-Präsident seinen Pass abgeben. Er darf das Land nicht verlassen. Das Strafmaß wurde noch nicht verkündet. Es liegt zwischen vier und 16 Jahren Gefängnis.
Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Thomas Latschan