Am Pranger
17. Juli 2008Als strahlender Mann des Friedens stand Ehud Olmert noch am Wochenende an der Seite von Nicolas Sarkozy und lobte den Gipfel zur Gründung der Mittelmeerunion als einen einzigartigen Augenblick, bei dem die Chancen auf einen Frieden im Nahen Osten zum Greifen nah seien. Doch während Olmert in Paris versuchte, mit außenpolitischen Themen zu punkten, gärte es daheim schon.
Seit Donnerstag (17.07.2008) beschäftigen sich israelische Anwälte erneut mit den Korruptionsvorwürfen gegen Olmert. Laut Staatsanwalt Moshe Lador soll der Politiker während der vergangenen Jahre 150.000 Dollar an illegalen Wahlkampfspenden erhalten haben - nicht nur als Bürgermeister von Jerusalem, sondern auch als Wirtschaftsminister. Das Geld soll Olmert über den amerikanisch-jüdischen Geschäftsmann Talansky in bar zugeflossen sein. Von den Zuwendungen soll er auch sein Faible für teure Zigarren und luxuriöse Hotelsuiten finanziert haben.
Abgang im September
Olmert hat diese Vorwürfe stets zurückgewiesen. Zwar überstand er noch am Montag (14.07.2008) mit knapper Mehrheit eine Vertrauensabstimmung in der Knesset, doch seine Abwahl als Parteivorsitzender im September scheint besiegelt, sein ohnehin angeschlagenes Ansehen ist auf dem Nullpunkt: Die Zeitung "Haaretz" veröffentlichte eine Umfrage, laut der 70 Prozent der Befragten Olmerts Darstellung keinen Glauben schenken.
Dabei sind die Israelis es gewohnt, dass ihren Politikern der Prozess gemacht wird: Dem ehemaligen Staatspräsidenten Mosche Katzav wurde Vergewaltigung vorgeworfen. Der frühere Justizminister Haim Ramon wurde wegen sexueller Belästigung verurteilt. Der ehemalige Finanzminister Abraham Hirchson wurde der Geldwäsche und des Diebstahls bezichtigt, der Sohn des im Koma liegenden Ex-Premiers Scharon musste wegen illegaler Finanzdeals ins Gefängnis. 1999 trat Innenminister Arje Deri wegen Bestechungsvorwürfen zurück. Der ehemalige Minister Gonen Segev musste hinter Gitter, weil er 320.000 Ekstase-Pillen ins Land schmuggelte. Das sind nur Beispielfälle.
Alle korrupt?
Ist Korruption ein integraler Bestandteil des israelischen Regierungssystems? Das zumindest glauben laut einer Studie des israelischen Instituts für Demokratie 90 Prozent der Israelis. Und immerhin 51 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Korruption eine entscheidende Bedingung ist, um an die Spitze der Politik zu kommen.
Diesen Eindruck stützt auch der Index der Anti-Korruptions-Organisation "Transparency International" (TI): Demnach rutschte Israel innerhalb der vergangenen zehn Jahre von Position 16 auf 30 ab - von insgesamt 179 Plätzen.
Doch nicht steigende Korruption, sondern eine erhöhte Transparenz sei der Grund, glaubt Galia Sagy, die Geschäftsführerin von TI Israel ist. "Heute sind Polizei, Justiz und Medien hartnäckiger bei der Aufklärung, auch wenn es sich um ranghohe Politiker handelt", sagt sie.
Mehr Aufklärung
Auch Alfred Wittstock, Leiter der Studienstelle Israel an der Universität Mainz und Experte für israelische Innenpolitik, glaubt nicht an einen überdurchschnittlichen Hang zur Selbstbereicherung bei Politikern. "Aber israelische Medien sind nie zimperlich mit den eigenen Politikern gewesen", sagt er. "Sie fordern gnadenlose Aufdeckung. Im Vergleich zu Deutschland sind sie geradezu aggressiv!" Für korrupter als andere westliche Demokratien hält er Israel jedenfalls nicht: "Das politische und demokratische System ist sehr stabil", sagt Wittstock.
"Wo Rauch ist, ist auch Feuer", gibt Angelika Timm dennoch zu Bedenken. Die Leiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv ist ebenfalls von der Bedeutung der öffentlichen Meinung überzeugt. Sie glaubt aber auch, dass ein gesellschaftlicher Wandel zu dieser Häufung an Korruptionsfällen in Israel geführt hat: In den Jahren nach der Staatsgründung standen Existenzsicherung und das nationale Kollektiv im Mittelpunkt. Heute hingegen seien es die individuellen Interessen und der konsumorientierte Lebensstil, die auch dazu führten, dass Politiker die Möglichkeit hätten, sich zu bereichern: "Für einen Ben Gurion wäre das damals undenkbar gewesen", sagt sie.
Verdrossenheit steigt
Die Folgen sind schon jetzt offensichtlich: Die Politikverdrossenheit im Land steigt, schon jetzt glaubt nur noch ein Bruchteil, Einfluss auf Entscheidungen zu haben. Außerdem seien die Israelis wahlmüde, sagt Wittstock. Das zeige auch die geringe Wahlbeteiligungen von 62,8 Prozent bei der Parlamentswahl 2006, die damals einen historischen Tiefpunkt erreichte. Außerdem schadeten solche Vorwürfe wie die gegen Olmert dem Ansehen Israels ungemein: "Im Ausland versucht Olmert das derzeit über außenpolitische Pseudo-Erfolge zu kaschieren, in seiner Heimat aber zählt das nicht", sagt Wittstock.
Die Stiftungsleiterin Timm setzt auf Israels Außenministerin Zipi Liwni, die derzeit als Favoritin bei der Nachfolge Olmerts gehandelt wird. Sie sei bisher integer und genieße ein hohes Ansehen auch bei Wählern aus anderen Lagern, sagt Timm: "Sie ist eine echte Hoffnungsträgerin."